Der parlamentarische U-Ausschuss zu Korruptionsvorwürfen ist ins Stocken geraten. Eigentlich hätten die Zeugenbefragungen zur Inseratenaffäre um den damaligen Infrastrukturminister und jetzigen Kanzler Werner Faymann (SPÖ) schon am Montag und Dienstag anlaufen sollen. Wegen eines Streits um die Vorsitzführung der Grünen Gabriela Moser hatten SPÖ und ÖVP allerdings die Festlegung der Sitzungstermine sowie die Ladung von Zeugen verweigert.

Die weitere Vorgangsweise wird nun im Kreis der Fraktionsführer am Donnerstag besprochen. Als einzige Regierungsmitglieder zur Befragung "angeboten" wurden von der Koalition Faymanns langjähriger Büroleiter Josef Ostermayer (SPÖ) und Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP).

Was denken die Fraktionsvorsitzenden im U-Ausschuss über die aktuellen Entwicklungen? derStandard.at hat nachgefragt.

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Otto Pendl, SPÖ

Warum ist der U-Ausschuss ins Stocken geraten?

Wann wird die nächste Sitzung stattfinden?

Wird Bundeskanzler Werner Faymann geladen? Warum/warum nicht?

Wann wird der U-Ausschuss zu Ende gehen?

Was ist für Sie das brisanteste Thema im "Herbstteil" des Ausschuss?

"Die Situation beim Untersuchungsausschuss ist verfahren. Die Schuld daran trägt die Vorsitzende Moser, die - am Gängelband von Peter Pilz hängend - die weitere Arbeit des Ausschusses blockierte. Zur Erinnerung: Am 31. August hat Moser einen Vier-Parteien-(!-)Antrag, der einen offenen Zeitplan für die weitere Arbeit des Ausschusses vorsah, wegen behaupteter Geschäftsordnungswidrigkeit nicht zugelassen und damit auch den Beschluss einer - ebenfalls nicht abgeschlossenen - Zeugenliste blockiert. Moser setzte sich damit nicht nur in Gegensatz zur Rechtsmeinung der vier anderen Parteien, sondern auch zur Rechtsmeinung der Parlamentsdirektion und der Nationalratspräsidentin, diesen Antrag als nicht geschäftsordnungswidrig ansehen. Vor allem aber verhinderte sie damit, dass der Ausschuss zu weiteren Arbeitssitzungen zusammentreten kann - ein Umstand, der nun von den Grünen lautstark beklagt wird. Wie es weitergeht, wird sich im Laufe dieser Woche bei einer Fraktionsführersitzung herausstellen."

Foto: APA/Hochmuth

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Werner Amon, ÖVP

Warum ist der U-Ausschuss ins Stocken geraten?

"Die Grünen torpedieren als einzige Fraktion die Ausschussarbeit, Anträge von vier Parteien werden mehr oder weniger willkürlich zur Abstimmung zugelassen oder - wenn die Grünen inhaltlich dagegen sind - für rechtswidrig erklärt. So kann man nicht arbeiten."

Wann wird die nächste Sitzung stattfinden?

"Am Donnerstag wird es ein Gespräch der Fraktionsführer geben. Alles weitere ist völlig offen."

Wird Bundeskanzler Werner Faymann geladen? Warum/warum nicht?

"Der Schlüssel dazu liegt bei der SPÖ. Wir haben eine Ladungsliste vorgelegt, auf die wir uns mit der SPÖ geeinigt haben."

Wann wird der U-Ausschuss zu Ende gehen?

"Das kann man jetzt noch nicht sagen."

Was ist für Sie das brisanteste Thema im "Herbstteil" des Ausschuss?

"Das sage ich Ihnen, wenn der Herbst vorbei ist."

Foto: AP/Punz

Walter Rosenkranz, FPÖ

Warum ist der U-Ausschuss ins Stocken geraten?

"Ein schwerer Geschäftsordnungsfehler samt mangelndem Fehlerbewusstsein der Vorsitzenden Moser hat den Verzögerungs- und Vertuschungsprofis bei SPÖ und ÖVP die Möglichkeit gegeben, eiskalt und künstlich aufgeregt die letzten Termine platzen zu lassen."

Wann wird die nächste Sitzung stattfinden?

"Am 13. September soll nur eine Fraktionsführerbesprechung über die weitere Vorgangsweise stattfinden. Das bedeutet, dass eine Untersuchungsausschuss-Sitzung für Ladungen erst nach der nächsten Nationalratssitzung am 19. oder 20. September stattfinden kann. Befragungen seriöserweise daher frühestens am 26. September."

Wird Bundeskanzler Werner Faymann geladen? Warum/warum nicht?

"Aus Sicht der FPÖ muss Bundeskanzler Werner Faymann geladen werden. Sollten das SPÖ und ÖVP verhindern, wird die Inseratenaffäre halt in einer Sondersitzung im Nationalrat und vor laufender Kamera aufgearbeitet. Das können SPÖ und ÖVP auch haben."

Wann wird der U-Ausschuss zu Ende gehen?

"Aus Sicht der FPÖ: wenn alle wichtigen Auskunftspersonen befragt, in alle Aktenstücke eingesehen und die Kapitel abgearbeitet wurden. Dann wird es einen Endbericht geben können. Allenfalls erst Anfang 2013."

Was ist für Sie das brisanteste Thema im "Herbstteil" des Ausschuss?

"Mit Sicherheit die 'Faymann-Inserate', aber auch die Telekom-Ostgeschäfte werden spannend."

Standard/Cremer

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Peter Pilz, Grüne

Warum ist der U-Ausschuss ins Stocken geraten?

"Weil ÖVP und BZÖ verhindern wollen, dass wir weiter alle Akten zu den Beweisthemen Telekom, BUWOG und Behördenfunk erhalten. Und weil die SPÖ alles tut, um Werner Faymann vor dem Ausschuss zu verstecken."

Wann wird die nächste Sitzung stattfinden?

"Am Donnerstag gibt es ein Treffen der Fraktionsführer. Dort wird die SPÖ wieder den Kopf von Gabriela Moser fordern, damit der Kopf von Werner Faymann gerettet werden kann. Am nächsten Mittwoch soll der Ausschuss dann im Plenum des Nationalrats abgedreht werden. Das ist der Plan der SPÖ."

Wird Bundeskanzler Werner Faymann geladen? Warum/warum nicht?

"Faymann ist verdächtig,

a) in der Affäre ASFINAG-Inserate,
b) in der Affäre ÖBB-Inserate,
c) in der Affäre Inserate des Bundeskanzleramtes und
d) in der Affäre Inseraten-Kickbacks an die Partei

öffentliche Gelder und seine Macht missbraucht zu haben.

Die SPÖ versucht, Faymann auf der Flucht vor der parlamentarischen Verantwortung dieser Affären zu helfen. Die ÖVP macht dabei die Räuberleiter. Aber Faymanns Ladung ist noch längst nicht entschieden. Wenn die öffentliche Meinung zu stark wird und wenn Josef Cap noch ein paar Mal die Linie seiner Partei im Fernsehen erklärt, wird die SPÖ nachgeben müssen. Das ist meine Hoffnung."

Wann wird der U-Ausschuss zu Ende gehen?

"Hoffentlich erst dann, wenn wir alles, womit uns das Plenum des Nationalrats vor knapp einem Jahr einstimmig beauftragt hat, untersucht und aufgeklärt haben - und nicht jetzt, nur weil der Kanzler abtauchen will."

Was ist für Sie das brisanteste Thema im "Herbstteil" des Ausschuss?

"Faymann und die Inseratenaffäre - die Antwort auf die Frage, warum Faymann bei seinen verdeckten Geschäften mit dem Boulevard alle Regeln des politischen Anstands und wahrscheinlich auch Strafgesetze gebrochen hat. Also, anders gesagt: die Frage, ob Faymann als Bundeskanzler noch tragbar ist."

Foto: APA/Neubauer

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Stefan Petzner, BZÖ

Warum ist der U-Ausschuss ins Stocken geraten?

"Weil das eingetreten ist, wovor ich immer gewarnt habe: Die Ausschussvorsitzende Gabriela Moser von den Grünen hat die Verfahrensordnung und die Geschäftsordnung gebrochen und damit der Regierung überhaupt erst die argumentative Vorlage dafür geliefert, den Ausschuss zu blockieren und ins Stocken zu bringen. Moser hat sich durch ihr ungeschicktes Verhalten also zum Instrument der Regierungsparteien machen lassen."

Wann wird die nächste Sitzung stattfinden?

"Am Donnerstag gibt es eine Fraktionsführersitzung, in der hoffentlich der gordische Knoten durchschlagen werden kann. Gelingt das, können wir in rund zehn Tagen mit den Befragungen zur Inseratenaffäre beginnen."

Wird Bundeskanzler Werner Faymann geladen? Warum/warum nicht?

"Wenn es nach dem BZÖ geht, wird Werner Faymann geladen. Es gibt schwere Vorwürfe gegen ihn. Er ist der erste Bundeskanzler der Zweiten Republik, der seitens der Staatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt wird. Im 'Sommergespräch' bei Armin Wolf hat Faymann zugesichert, dass er kommen wird, wenn die Abgeordneten das wollen. Wir werden ihn beim Wort nehmen und als BZÖ die Ladung von Faymann neuerlich beantragen und den Antrag mit den wortwörtlichen Zitaten des Kanzlers im ORF-'Sommergespräch' begründen. Ich bin schon gespannt, wie die SPÖ-Fraktion sich dann verhalten wird. Denn stimmt sie dagegen, heißt das: Das gegebene Wort des Kanzlers ist nichts wert."

Wann wird der U-Ausschuss zu Ende gehen?

"Wir befinden uns in der Zielgerade. Der Ausschuss könnte im Laufe des Oktobers bis Anfang November seine Arbeit erfolgreich abschließen. Damit hätten wir auch das Ziel der Vorsitzenden Moser erreicht, die gemeint hat, bis in den Herbst 2012 sollten wir es geschafft haben."

Was ist für Sie das brisanteste Thema im "Herbstteil" des Ausschuss?

"Die Faymann-Inseratenaffäre und die Telekom-Ostgeschäfte des Martin Schlaff, wo sich auch Wolfgang Schüssel eingeschaltet hat. Aus Basis der Fakten, die auf dem Tisch liegen, ist bei diesem Untersuchungsgegenstand auch eine Ladung Wolfgang Schüssels unumgänglich." (Katrin Burgstaller/Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 12.9.2012)

Foto: APA/Hochmuth