Die Geschichte wurde pünktlich am Montag, also an dem Tag, als der Kosovo in die Souveränität entlassen wurde, im serbischen Fernsehen ausgestrahlt. Ein mutmaßlicher Zeuge sagte mit verzerrter Stimme, er selbst habe einem Gefangenen während des Kosovo-Konflikts das Herz herausgeschnitten. Das Video soll als Beweismittel gelten, dass die frühere kosovarische Befreiungsarmee UÇK, also die albanischen Rebellen, während des Kosovo-Kriegs serbischen und anderen Gefangenen Organe entnommen haben sollen, um sie im Ausland, etwa der Türkei, zu verkaufen.

Die Geschichte über den Organhandel der UÇK ist bereits fast zehn Jahre alt. Seit 2003 tauchen immer wieder Gerüchte auf. Beamte der damaligen UN-Verwaltung Unmik im Kosovo berichteten von Aussagen ehemaliger UÇK-Mitglieder, die UÇK habe aus Rache Serben und jugoslawientreue Albaner nach Albanien verschleppt und ihnen dort Organe entnommen.

In Geheimdienstberichten und in einem Buch der früheren Chefanklägerin des Jugoslawien-Tribunals, Carla del Ponte, tauchten die Vorwürfe auch immer wieder auf. Die Uno untersuchte die Vorwürfe dreimal. Am angeblichen Tatort 36 Kilometer nördlich von Tirana fand man Blutspuren, Muskelentspannungsmittel und Spritzen. Doch die Beweise reichten nicht für eine Anklage.

Als 2010 der Schweizer Europarats-Berichterstatter Dick Marty schließlich seinen Report über Verbrechen der UÇK veröffentlichte, fand dieser großes Medienecho. Die EU-Rechtsstaatsmission Eulex forderte Beweise und hat mittlerweile ein eigenes Ermittlungsteam, das den Vorwürfen von Brüssel aus nachgeht, eingerichtet.

Vor allem der Mangel an großzügigen Zeugenschutzprogrammen macht die Arbeit extrem schwierig. Immerhin hat Albanien im Mai die gesetzliche Möglichkeit geschaffen, dass die Eulex auch in Albanien und nicht nur im Kosovo ermitteln kann. Der kosovarische Premierminister Hashim Thaçi, dem Marty 2010 vorgeworfen hatte, im Krieg der Kopf jener kriminellen Vereinigung gewesen zu sein, die auch den Organhandel zu verantworten hat, hat mittlerweile von einer Klage gegen Marty abgesehen. Denn gegen Thaçi selbst laufen gar keine Ermittlungen.

Ein Politikum bleibt der Fall trotzdem, für die serbische wie für die kosovarische Seite. Tatsächlich sind 13 Jahre nach Ende des Kosovo-Konflikts noch immer 1900 Menschen vermisst, die Mehrheit von ihnen Kosovo-Albaner. Noch immer werden Gräber gefunden und Menschen exhumiert. Jenseits der Frage des Organhandels geht es darum, das Schicksal dieser Verschwundenen aufzuklären.

Anklage im Fall Medicus

In Prishtina selbst ist zur Zeit aber ein anderer Fall von Organhandel vor Gericht, für den es Beweise gibt. Laut Anklage wurden zwischen Jänner und November 2008 zwischen 15 und 20 Personen in den Kosovo gebracht, um ihnen in der Medicus Klinik Nieren zu entnehmen und anderen Patienten zu transplantieren. Die armen Spender sollen nur einen Bruchteil des Geldes bekommen haben, das die reichen Empfänger für die Organe zahlten. In dem Fall stehen neun Personen vor Gericht. In der Anklage, die dem Standard vorliegt, sind 31 Fälle von illegalen Organtransplantationen aufgelistet. Die Klinik wurde mittlerweile geschlossen. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 12.9.2012)