Buchautor Frank Huss. Der Lehrberuf birgt eine besonders hohe psychosoziale Belastung.

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"Eine Welle aus Panik durchströmte mich, denn ich erinnerte mich daran, was heute für ein Tag war. Es war Montag. Montag war Schultag." Für Frank Huss ist sein Beruf zur Qual geworden. Eigentlich wollte er als Lehrer sein Talent, Geschichten zu erzählen, nutzen. Der Plan ist nicht aufgegangen. Im Jahr 2011 entschloss er sich dazu, eine Psychotherapeutin aufzusuchen. Er litt an Angst- und Panikattacken, Schlaflosigkeit, Magenkrämpfen und Brechreiz. Ein Burn-out-Syndrom hatte seinen Höhepunkt erreicht.

Ausgebrannt

Wie viele Lehrer in Österreich an Burn-out leiden, ist unklar. Das liegt auch daran, dass man sich immer noch nicht darauf geeinigt hat, wie man dieses Syndrom diagnostiziert. Zudem wissen die Krankenkassen zwar, dass die Zahl der Krankenstandstage steigt, sie können aber nicht erheben, warum. Generell lässt sich sagen, dass es sich beim Burn-out-Syndrom um einen sehr starken Erschöpfungszustand handelt.

Lehrer gehören zu einer Gruppe, die von diesem "Ausgebranntsein" besonders stark gefährdet ist. Das zeigt unter anderem eine Studie zur psychischen Belastung der Arbeit des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) und der Donau-Universität Krems im Auftrag der Arbeiterkammer Wien aus dem Jahr 2009. Lehrer werden darin als Berufsgruppe mit einer besonders hohen psychosozialen Belastung bezeichnet. 

Schlafstörungen, Depressionen, Angstzustände

Die Berechnungen der Studie, die auf den Daten der österreichischen Gesundheitsbefragung aus den Jahren 2006 und 2007 beruhen, zeigen, dass bestimmte Lehrergruppen häufiger von Schlafstörungen, Depressionen oder chronischen Angstzuständen betroffen sind. So geben 29,3 Prozent der weiblichen Pflichtschul-Lehrkräfte an, unter Schlafstörungen zu leiden. Der Durchschnittswert liegt hier bei Frauen bei 22,2 Prozent. 

"Scheißegal"

Auch Musik-, Deutsch- und Geschichtelehrer Huss war mit der Situation im Klassenzimmer an einem Wiener Gymnasium überfordert. In seinem Buch "Schularbeit. Die Leiden eines Lehrers", das am Dienstag präsentiert wurde, beschreibt er die Schwierigkeiten, die er in seinem Beruf hatte. Wie sich etwa die Klasse weigerte, den Stoff durchzugehen, und darauf bestand, einen Film anzusehen. Wie sie seinen Stoff als "scheißegal" beschrieben. Oder wie ein bestimmter Schüler - Huss nennt in "Mario" - ihn immer wieder provozierte. Auch der Lärm der Schüler in der Pause machte ihm zu schaffen.

Wenig Unterstützung

"Der Beruf eines Lehrers ist ein Hochstressberuf", erklärt Paul Kimberger, Pflichtschulgewerkschafter, im Gespräch mit derStandard.at. Das Risiko eines Burn-outs sei bei Lehrern besonders groß. Er fordert deshalb, die Lehrer durch Unterstützungspersonal zu entlasten. Tatsächlich zeigt die OECD-Studie "Talis", dass in Österreich auf 29 Lehrer nur eine unterstützende Kraft - also etwa ein Psychologe oder Sozialarbeiter - kommt. Im EU-Schnitt liegt dieses Verhältnis bei 9:1. Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) hat angekündigt, die Zahl der Supportlehrer im Zuge des neuen Lehrerdienstrechts ausbauen zu wollen. Zahlen dazu gibt es aber noch nicht.

Auch die Leiterin der Schulpsychologie der Stadt Wien, Mathilde Zeman, weiß von einer steigenden Zahl an Beratungsgesprächen mit Lehrern zu berichten. Die Lehrer kommen vor allem dann zu ihr, wenn sie mit verhaltensauffälligen Schülern zu kämpfen haben. "Das heißt nicht unbedingt, dass sie aggressiv sind. Auch wenn sie sich zurückziehen und nicht in die Gruppe finden, machen sich die Lehrer sorgen", erklärt Zeman.

Konflikte mit Eltern

Lehrer kommen auch zur schulpsychologischen Stelle, wenn sie Konflikte mit Eltern haben. "Die Lehrer empfehlen den Eltern, mit ihrem Kind zu üben oder mit ihm in Behandlung zu gehen, aber die Eltern halten das nicht ein", beschreibt Zeman die Situation. Vielmehr würden dann die Lehrer beschuldigt, das Kind nicht genug zu lehren. Zudem gebe es Konflikte mit anderen Lehrern, die mit den Schulpsychologen besprochen werden können.

Auch Zeman sieht Lehrer als vom Burn-out gefährdete Berufsgruppe. Es gebe einen großen Anforderungsdruck: "Die Schule hat zwar auch die Aufgabe der Erziehung, aber oft bekommen die Lehrer keine Unterstützung von den Familien, damit das Kind dem Unterricht folgt. Die Eltern lassen die Lehrer alleine."

Kein leichter Beruf

In den Beratungsgesprächen versuchen Zeman und ihre Kollegen dann gemeinsam Wege aufzuzeigen, damit die Lehrer die Konfliktsituationen lösen können. Es handle sich dabei weniger um eine Therapie. "Sie können das Coaching nennen", sagt Zeman. Der Schulpsychologin ist es wichtig, den Ruf der Lehrer zurechtzurücken: "Jeder, der meint, Lehrer zu sein sei eine leichte Aufgabe, möge sich einmal den Schulalltag vergegenwärtigen. Sie stehen vor 25 Heranwachsenden mit ihren individuellen Problemen und Leistungsschwächen. Lehrer sein ist sehr belastend und fordernd."

Zeman selbst kann mit ihrer schulpsychologischen Stelle lange nicht allen helfen, die ihre Hilfe benötigen würden. "Das Personal wurde seit 20 Jahren nicht aufgestockt", sagt sie.

Frank Huss steht mittlerweile selbstbewusster im Klassenzimmer. In der Therapie hat er zehn Punkte gelernt, die er am Ende seines Buches aufzählt. Heute straft er nicht mehr, sondern sagt seinen Schülern, was ihn stört. Er hat gelernt, dass er für seine Schüler kein Ersatzvater sein kann und dass er die Aussagen von Schülern nicht persönlich nehmen darf. Auch den Modetrends der Schüler, die "strenger als jeder Modekritiker sind", unterwirft er sich nicht mehr. Er hat sich eine Hose mit Schottenmuster schneidern lassen. (Lisa Aigner, derStandard.at, 11.9.2012)