Wien - Er gilt zwar als erfolgreichste parlamentarische Untersuchung seit Jahrzehnten, trotzdem droht der Korruptions-Untersuchungsausschuss nun in einem Hickhack um Formalfragen unterzugehen. Auch diese Woche wird es keine Zeugenbefragungen geben. Nun können sich die Fraktionen weiterhin nicht einmal auf einen Termin für die nächste Geschäftsordnungssitzung einigen.

ÖVP tagt in Saalfelden

Die SPÖ hat am Montag eine Sitzung zur Geschäftsordnung verlangt. Als Vorsitzende Gabriela Moser wenig später für Dienstagvormittag dazu einlud, sagte SPÖ-Fraktionsführer Otto Pendl jedoch ab: "Das geht aus Termingründen jetzt nicht", sagte Pendl der APA. Das ist insofern verwunderlich, als für Dienstag ab 9 Uhr ohnehin seit Monaten eine Sitzung des Ausschusses anberaumt war. Pendl schlägt nun ein Treffen am Donnerstag vor. Da hat die ÖVP allerdings ihre Klubklausur: Die Volkspartei tagt am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche in Saalfelden. Die Klubklausur dauert am Donnerstag bis 12 Uhr. Fahrzeit von Saalfelden nach Wien: rund vier Stunden. 

Dennoch meinte ÖVP-Fraktionsführer Werner Amon, er wolle nicht der Grund dafür sein, dass die Sitzung platze. Es könnte nun sein, dass die Grünen eine weitere Einladung verschicken, und zwar eben für Donnerstag.

Amon, der sich eine Fraktionsführersitzung gewünscht hatte, betonte aber auch, dass sich an seinen "Bedingungen" nichts ändere: Vorsitzende Moser müsse eine schriftliche Erklärung, die vergangene Woche im Ausschuss für Aufregung gesorgt hatte, zurücknehmen oder zurücktreten. Wenn man das nicht kläre, müsse man die Situation am Freitag in der Präsidiale des Nationalrats thematisieren.

Wichtige Themen noch offen

Bereits seit zehn Tagen sind SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ einerseits sowie die grüne Ausschussvorsitzende Gabriela Moser andererseits in einen Formalstreit um die Zulässigkeit von Anträgen verstrickt. Obwohl der Konflikt inhaltlich geklärt ist (Moser wollte den umstrittenen Antrag vergangene Woche zulassen), blockieren SPÖ und ÖVP offenbar die weitere Ausschussarbeit: Laut übereinstimmenden Angaben der Opposition weigert sich die Koalition, einen neuen Sitzungstermin anzusetzen. SPÖ und ÖVP fordern eine Besprechung der Fraktionsführer, bevor ein weiterer Sitzungstermin angesetzt wird. Dabei sind noch mehrere Themen offen: Die Inseratenaffäre rund um Kanzler Werner Faymann (SPÖ), die Telekom-Ostgeschäfte und das Vorgehen der Regierung bei den umstrittenen Einbürgerungen "im besonderen Interesse der Republik".

Es wäre nicht der erste U-Ausschuss, der ein unrühmliches Ende nimmt. Seit 2000 schaffte es nur ein einziger - nämlich der Eurofighter-Ausschuss 2006/2007 -, seine Arbeit regulär zu beenden. Einem Ausschuss setzte die vorgezogene Neuwahl 2002 ein Ende, drei wurden per Fristsetzungsantrag "abgedreht". Einen inhaltlichen Mehrheitsbericht gab es in keinem Fall.

Keine Skandale bei Euroteam-Ausschuss

Vom 2000 eingesetzten Euroteam-Untersuchungsausschuss erhoffte sich die damals neu angetretene schwarz-blaue Koalition eine Abrechnung mit der Vergabepraxis des viele Jahre von der SPÖ geführten Sozialministeriums. Der Ausschuss endete nach nur 19 Sitzungen in zwei Jahren, allerdings ohne gröbere Skandale aufgedeckt zu haben. Wegen der vorzeitigen Neuwahl am 24. November 2002 gab es nicht einmal mehr einen Abschlussbericht. Die gerichtliche Aufarbeitung der Euroteam-Affäre um angeblich veruntreute Fördermittel endete 2008 mit Freisprüchen.

Eurofighter und Banken

Nach ihrem Wahlsieg im Herbst 2006 einigte sich die SPÖ mit Grünen und FPÖ über zwei U-Ausschüsse zur Eurofighter-Vergabe und zu diversen Bankenaffären. Sie sollten eine Abrechnung mit der schwarz-blau-orangen Koalition bringen und die widerspenstige ÖVP in eine Koalition mit der SPÖ zwingen. Dem Bankenausschuss setzte die Koalition mittels Fristsetzung ein Ende, ohne alle vorgesehenen Zeugen befragt zu haben. Der Eurofighter-Ausschuss ging dagegen (anders als seither vielfach kolportiert) regulär zu Ende. Den Abschluss bildeten ein technischer Mehrheitsbericht sowie inhaltliche Minderheitsberichte von Rot, Schwarz und Grün-Blau.

Machtmissbrauch

Auch der 2008 eingesetzte Ausschuss zur Klärung der Machtmissbrauchs-Vorwürfe gegen Ex-Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) endete, ohne alle Zeugen befragt und alle Themen abgehandelt zu haben. Die Untersuchung ging letztlich im Wahlkampf für die von der ÖVP ausgerufene vorgezogene Neuwahl im Herbst 2008 unter und wurde schließlich mittels Fristsetzungsantrag (gegen die Stimmen der Grünen) beendet. Auch hier gab es nur einen technischen Endbericht, etwa über die Zahl der Sitzungen und der befragten Zeugen. Inhaltliche Schlussfolgerungen legte jede Fraktion gesondert vor.

Spitzel und Spionage

Völlig überraschend eingesetzt wurde kurz vor der Sommerpause des Parlaments im Jahr 2009 ein U-Ausschuss zu diversen Spitzel- und Spionagevorwürfen. Unmittelbarer Anlass waren vom Parlament nicht genehmigte Ermittlungen der Justiz gegen den BZÖ-Abgeordneten Peter Westenthaler sowie der Vorwurf der FPÖ, von den Grünen bespitzelt worden zu sein. Bekannt wurde auch, dass die Justiz eine Anzeige gegen Ex-Innenminister Strasser bis zur Verjährung "übersehen" hatte. Von SPÖ und ÖVP wurde der Ausschuss nach nur fünf Monaten mittels Fristsetzung beendet, mehrere Affären (wie die im Eiltempo verfügte Einbürgerung des kasachischen Botschafters Rachat Alijew) blieben ungeklärt. (APA/red, derStandard.at, 10.9.2012)