Der Text für die Volksbefragung im Jänner ist überraschend sachlich und grundvernünftig: "Sind Sie für die Einführung eines Berufsheeres und eines bezahlten freiwilligen Sozialjahres?" oder "Sind Sie für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes?" Einen derart klaren Weg zur Entscheidungsfindung hätte man der Regierungskoalition gar nicht mehr zugetraut. Das Image, das der Regierung anhaftet, ist ein ganz anderes, da ist man eher auf groben Unfug gefasst.

Die Fronten sind mittlerweile klar. Nachdem beide Parteien jeweils eine Kehrtwendung hinter sich gebracht haben, ist die SPÖ jetzt für ein reines Berufsheer und den Ausbau eines freiwilligen Sozialjahres, die ÖVP möchte Wehrpflicht wie Zivildienst beibehalten.

Jetzt kann auch in der Sache diskutiert werden. Damit ist der Wahlkampf eröffnet. Es geht längst nicht nur um das Bundesheer. Die ersten Inserate sind schon geschaltet, die SPÖ war einen Hauch schneller und hat ein von ihr initiiertes, freilich ganz unabhängiges und überparteiliches Personenkomitee (Hannes Androsch: "Der Kanzler hat mich darum gebeten") schon in Stellung gebracht. Auch die ÖVP setzt in diesem Ideologiestreit auf ein vorgelagertes Personenkomitee und schickt den ehemaligen Skifahrer und nunmehrigen Hotelier Karl Schranz an die Wahlkampffront. Androsch gegen Schranz, ein Kampf der innenpolitischen Fahnenträger; schwer zu sagen, wessen Wort mehr wiegen, wessen Glaubwürdigkeit das Wahlvolk mehr durchdringen wird.

Die SPÖ ist für diesen Wahlkampf besser aufgestellt, das zeigt nicht nur der Blitzstart ihres Personenkomitees, für das interessanterweise auch untadelige Experten wie der Politologe Anton Pelinka oder der Sozialwissenschafter Bernd Marin ihren guten Ruf aufs Spiel setzen. Die SP-Stärke liegt vor allem in der ÖVP begründet.

Den Sommer über hat die SPÖ genau das Richtige gemacht: nichts. Das kann sie gut. Sie hat die ÖVP für sich wirken lassen. Kanzlerdarsteller Werner Faymann hat Tollpatsch Michael Spindelegger den Vortritt gelassen. Der hatte die Korruptionsaffären noch nicht abgestreift, da löste er selbst eine Personaldebatte in der eigenen Partei aus, die gleich die gesamte Führungsspitze erfasste, und schließlich wollte er Frank Stronach auch noch die ÖBB verkaufen. Vor allem der ORF nahm das Angebot, das Spindelegger möglicherweise nur als Scherz gemeint hatte, mit großer Ernsthaftigkeit auf - und Spindelegger blieb dran. Die ÖVP mag ihre Freude daran haben, wenn der an sich denkunmögliche Verkauf der ungeliebten ÖBB breit diskutiert wird, letztlich ist das aber eine direkte Wahlkampfhilfe für Stronach, der diese Form des Ernstgenommenwerdens gar nicht verdient hat.

Wenn die ÖVP weiterhin in dieser Tölpelhaftigkeit agiert, braucht sich Faymann gar keine Sorgen machen: Die SPÖ bleibt Erster, die Wehrpflicht wird abgeschafft, er selbst kann weiterhin den Kanzler darstellen - unbeschadet aller inhaltlichen Argumente, die gegen einen dieser Zustände sprechen könnten. (Michael Völker, DER STANDARD, 10.9.2012)