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Im Élysée dürfte Bernard Arnault nicht mehr wohlgelitten sein. Sein teilweiser Wechsel nach Belgien wird als Attacke gegen die Reichensteuerpläne interpretiert.

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Die Meldung sei "wie eine Bombe" in das ruhige Pariser Wochenende geplatzt, meinte die christliche Tageszeitung La Croix: Bernard Arnault, der laut dem US-Magazin Forbes 32 Milliarden Euro sein Eigen nennt, ersucht um die belgische Staatszugehörigkeit. Nach französischer Lesart kann das nur eins heißen: Der reichste Franzose will sein Steuerdomizil aus Frankreich verlagern.

Arnault ließ dieses Motiv am Wochenende allerdings dementieren: "Herr Bernard Arnault ist und bleibt in Frankreich steuerpflichtig", teilte Louis Vuitton-Moët Henessy (LVMH) mit. Der 63-jährige Gründer des Luxusgüterkonzerns meinte weiter, er stamme aus Nordfrankreich und habe zahlreiche Familienbande in Belgien; auch plane er dort "heikle" Investitionen, die eine belgisch-französische Doppelbürgerschaft nahelegten.

Belgien lockt

Diese Argumente klingen nicht sehr überzeugend. LVMH ist in allen Kontinenten aktiv und nicht auf den kleinen belgischen Markt angewiesen. Eher erinnern sich die Franzosen an den Rocksänger Johnny Hallyday, der aus Fiskalgründen ebenfalls den belgischen Pass beantragt hatte. Als er ihn nicht erhielt, ließ er sich in der Schweiz nieder, wo er dank der helvetischen Pauschalbesteuerung viel besser abschneidet.

Belgien ist kein eigentliches Steuerparadies, kennt aber keine Vermögenssteuer wie Frankreich. Auch der Erbantritt oder Verkauf eines Unternehmens werden in Belgien viel geringer taxiert. Belgier können zudem - wie alle anderen Erdenbürger außer Franzosen - steuerfrei in Monaco leben. Hunderte von reichen Franzosen dürften die belgische Staatsbürgerschaft aus diesem Grund beantragt haben.

Reichensteuer

Arnault ist deshalb kein Einzelfall. Trotzdem ist sein Fall ein "starkes Symbol", wie der größte Fernsehsender TF1 kommentierte. Auch andere französische Medien meinen, es könne kein Zufall sein, dass Arnaults Gesuch gerade jetzt publik werde: Seit vergangener Woche wird in Frankreich intensiv über eine umstrittene Reichensteuer debattiert. Präsident François Hollande will nämlich Einwohner, die jährlich mehr als eine Million Euro verdienen, in Erfüllung eines Wahlversprechens mit einer Steuer von 75 Prozent belegen.

Nach neuesten Gerüchten, die Regierung krebse zurück und füge so viele Ausnahmen ein, dass am Schluss nur noch tausend Großverdiener von der Reichensteuer betroffen seien, erklärte der sozialistische Arbeitsminister Michel Sapin, er halte an der Maßnahme aus Gründen der "Gerechtigkeit und sozialen Kohäsion" fest.

Einen Tag später machte eine belgische Zeitung Arnaults Gesuch publik. Seither wogt die Polemik hoch. Der konservative Expremierminister François Fillon griff die Regierung am Wochenende hart an: "Wenn man dumme Entscheiden fällt, erntet man fürchterliche Resultate."

Der Vizechef der Sozialisten, Harlem Désir, konterte: „Wenn man Frankreich liebt, verlässt man es nicht in Sturmzeiten." In einer Blitzumfrage äußerten allerdings 53 Prozent der Befragten Verständnis für Arnaults Schritt. Auch der linke Ökonom Thomas Piketty meinte, man sollte nicht Einkommen aus Arbeit, sondern Kapitaleinkünfte stärker besteuern.

Suche nach Milliarden

In Paris wird damit gerechnet, dass sich Hollande selbst in Kürze dazu äußern muss. Der 58-jährige Sozialist gerät wirtschaftspolitisch immer mehr in die Bredouille. Vergangene Woche hatte er bestätigt, dass er alles tun werde, um das Budgetdefizit bei der anstehenden Haushaltdebatte wie versprochen auf drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu drücken. Das würde nach jetzigem Stand 33 Milliarden Euro an zusätzlichen Einsparungen oder Steuermehreinnahmen erfordern.

In einer neuen Meinungsumfrage von Sonntag bezeichneten sich 59 Prozent der Franzosen als "unzufrieden" mit der Politik des Staatspräsidenten. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 10.9.2012)