"Die größte Quelle der Ineffizienz liegt beim Gesetzgeber", kritisiert WU-Rektor Christoph Badelt zu beliebiges Studienrecht.

Foto: STANDARD/Hendrich

STANDARD: Die erstmals vorgezogene Anmeldefrist für neu zugelassene Studierende ist am 5. September zu Ende gegangen. Wie sehr ist die WU diesmal "überbucht"?

Badelt: Es zeichnet sich eine leichte Steigerung gegenüber dem Vorjahr ab. Wir sind daher bei der gleichen Dimension unseres ewigen Problems wie in den früheren Jahren. Da reden wir aber nur über die Bachelor-Studien. Was die Sache so dramatisch macht, ist, dass von Jahr zu Jahr mehr Master-Studierende dazukommen.

STANDARD: Hoffnung naht ja angeblich. SPÖ und ÖVP signalisieren baldige Einigung über Zugangsbeschränkungen. Beruhigt Sie das?

Badelt: Ich freue mich, wenn sich etwas bewegt, allerdings das, was bis jetzt öffentlich bekannt ist, beunruhigt mich eher.

STANDARD: Warum?

Badelt: Weil man sagt, man wolle die Zahl der zuzulassenden Studierenden an den bisherigen nominellen Anfängerzahlen festmachen, was paradox wäre, weil wir eben diese Kapazitäten nicht haben und man so nur den unzureichenden Zustand zum Normzustand erklärt. Weiters ist immer nur von Bachelor-Studierenden die Rede, wir haben aber in den Master-Studien das gleiche Problem. Diese Kapazitäten sind ja verbundene Gefäße. Wenn es so kommt, ist es entweder keine Lösung, oder sie wird massiv teurer. Es würde ja heißen, dass man für alle Studierenden, die sich bisher nominell angemeldet haben, auch wirklich Ausbildungskapazitäten schaffen müsste. Ich bin sehr für Zugangsregeln, aber ich bin auch für einen Ausbau der Kapazitäten.

STANDARD: Wie viel Budget bräuchten Sie, wenn alle, die jetzt als Studienanfänger kommen, auch im Rahmen einer Studienplatzfinanzierung kommen dürfen sollten?

Badelt: Die Zahl der wirklich Auszubildenden würde verdoppelt werden, unter Berücksichtigung der Fixkosten käme wohl eine Budgetsteigerung von 60 bis 70 Prozent heraus. Wir hatten zuletzt 4000 Bachelor-Beginner pro Jahr, können aber jetzt nicht einmal die Hälfte davon bis zum Ende führen.

STANDARD: Das Ministerium will zentrale Budgetteile an die studienaktiven Studierenden koppeln. Was heißt das für Sie und die WU?

Badelt: Das empfinde ich als Pflanz, wenn man gleichzeitig die Zulassungszahlen nicht an den Studienaktiven orientiert. Durch die Massenstudien ist an der WU der Anteil der "Prüfungsinaktiven" am allerhöchsten, fast 50 Prozent. Nur brauchen die Studieninaktiven - laut Definition die, die pro Studienjahr weniger als 16 ECTS-Punkte machen - trotzdem Ressourcen. Ich habe an der WU mehr als 5000 Studierende, die sehr wohl Prüfungen machen, aber eben nicht studienaktiv im Sinne der Definition sind.

Ich habe aber auch mehr als 1600 Studierende, die Lehrveranstaltungen belegen, aber überhaupt zu keiner Prüfung antreten. Das Paradoxe: Mehr als die Hälfte unserer studieninaktiven Studierenden sitzen in den Studieneingangsphasen - eine nette Formulierung dafür, dass die Leute zuerst reingelassen und dann wieder hinausgeworfen werden -, die es nur deswegen gibt, weil es keine Zugangsregeln gibt. Verrückt.

STANDARD: Welche Möglichkeiten haben Sie, studieninaktive Studierende zu aktivieren?

Badelt: Das ist genau das Problem. Es ärgert mich auch so, wenn man uns dann sagt, wir sollen effizienter sein. Die größte Quelle der Ineffizienz liegt beim Gesetzgeber, der ja für das Studienrecht verantwortlich ist. Ich habe rechtlich keine Handhabe, wenn sich die Leute zu Lehrveranstaltungen anmelden und dann zu keinen Prüfungen antreten. Ich kann sie nicht zwingen oder sanktionieren. An der WU ist das ein Problem von mehreren tausend Studierenden. Ich glaube wirklich, dass man jungen Menschen, die sich für ein Studium ernsthaft interessieren, die Gelegenheit zum Studium geben soll, aber man sollte ihnen nicht die Gelegenheit geben, nur so gelegentlich vorbeizuschauen und gleichzeitig Ressourcen des Staats zu verschwenden.

STANDARD: Ineffizienz des Gesetzgebers, weil er kein ordentliches Zugangsmanagement erlaubt?

Badelt: Ja, aber nicht nur das. Der Gesetzgeber erlaubt nahezu die völlige Beliebigkeit beim Studieren. Sie können an einer österreichischen Uni unendlich lange studieren. Wir haben zwar zum Teil Begrenzungen bei Prüfungswiederholungen, das reicht aber nicht, weil die Leute mehrere Studien belegen, dann von einem Studium zum anderen springen und dort wieder drei- oder viermal antreten. Gesamtösterreichisch hatten wir im Wintersemester 2011 270.000 Studierende, die 345.000 Studien belegten. Das sind keine Randphänomene. Das mag gesellschaftspolitisch positiv sein, aber es muss irgendwer bezahlen.

STANDARD: Welche gesetzlichen Änderungen hätten Sie denn - abseits der Zugangsregeln - gern?

Badelt: Durch ein ausreichendes Stipendiensystem sollten sich die Studierenden wirklich auf das Studium konzentrieren können. Dann muss ich aber auch verlangen können, dass wirklich studiert wird, dass es Grenzen bei der Studiendauer und Sanktionen gibt, wenn Plätze belegt, aber nicht in Anspruch genommen werden etc.

STANDARD: Wenn Sie sich selbst eine Zugangsregelung maßschneidern könnten: Wie sähe die aus?

Badelt: Wichtig wäre eine wirkliche Kapazitätsfeststellung - zu wissen, wie viele Leute kann ich seriöserweise nehmen, sodass nur die bei der Prüfung durchfallen, die das qualitativ halt nicht schaffen. Dann wäre es gescheit, sehr, sehr früh eine Selektionsprüfung zu machen, unmittelbar zu Beginn oder wenigstens nach einem halben Semester. Dann muss ehrlich gesagt werden: Wir haben x Plätze, und diese x Studierenden werden genommen. Die wissen das auch sofort, und die anderen können dann auch noch etwas anderes studieren. Und das bitte für Bachelor und Master. Ich habe deutschsprachige Master-Programme, da ist die Zahl der Anmeldungen jetzt schon zehnmal so groß wie die Plätze. Selbst wenn es am Ende nur fünfmal so viele sind, ist das ein absoluter Horror. Das ist absurd. Zynismus pur.

STANDARD: Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Studiengebühren für Sie? Da ist ja wieder Bewegung in der Koalition.

Badelt: Die Studiengebühren spielen auch eine Rolle, aber keine zentrale. Die Regelung des Zugangs ist sicherlich tausendmal wichtiger als die Studiengebühren. Wir wissen aus der Erfahrung, dass Gebühren auch Anreizwirkungen haben, schneller zu studieren. Wenn man sie etwa an den belegten ECTS-Punkten orientieren würde, gäbe es einen Anreiz, dass die Leute wirklich nur die Lehrveranstaltungen belegen, die sie auch machen wollen. Da gäbe es schon Gestaltungsmöglichkeiten, dass diese wirklich vielen tausend Lehrveranstaltungsplätze, die bei uns dann den Bach hin untergehen, eben nicht den Bach hinuntergehen. Womit wir wieder beim Gesetzgeber wären. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 10.9.2012)