Eisenstadt - Beschauliches Burgenland. Der Wein, die Obstbäume, die Felder, das Zügchen fährt eingleisig und tutet ab und zu bei unbeschrankten Übergängen. So muss das sein. Wie tief die Sonne am frühen Abend schon steht.

In Eisenstadt wirkt Walter Reicher zwar noch nicht ganz so lange, wie es Joseph Haydn seinerzeit tat, aber doch immerhin schon ein Vierteljahrhundert. In dem Städtchen managt und programmiert der Feingeist die Haydn-Festspiele Eisenstadt, hierbei emsig um das Spinnen roter Fäden bemüht.

Suchte und fand Reicher im vergangenen Jahr sogar überseeische Querverbindungen im Werk des Klassikers, so lautet das Motto 2012 "Haydn & Italien". Nein, in Italien war Haydn auch nicht, aber selbstredend ist die italienische Musik einer der Busen, von dem sich der kreative Geist des großen Komponisten lustvoll nährte. Haydn bekam auch mal von König Ferdinand IV. von Neapel das Amt des Hofkapellmeisters angeboten, welches er aber ausschlug.

Quasi als Entschuldigungsbillet schrieb er einige Werke für die vom König besonders geliebte Lira organizzata, die Orgelleier. Einige dieser Stücke werden beim Festival zentral präsentiert; gleich beim Eröffnungskonzert im Schloss Esterházy kredenzte "Il Giardino Armonico", das famose Eisenstädter Residenzorchester dieser Tage, das Konzert für zwei Lire organizzate C-Dur, Hob.II:32, allerdings transkribiert für zwei Traversflöten. Packend hier speziell die von den Hörnern veredelte Schwungkraft des Finales, auch dessen fein ausgetüftelter Witz (Haydns Freude am minimalistischen Motivspiel sollte sich später bei Beethoven fortsetzen).

Mehr noch als bei den zwei Instrumentalkonzerten Antonio Vivaldis (einmal Cello, einmal Flöte) demonstrierte "Il Giardino Armonico" vor allem bei den Haydn-Symphonien Nr. 6 ("Le matin") und Nr. 74 ("The Agreement"), welch beglückende, überwältigende Interpretationsmacht dieses 1985 in Mailand gegründete Originalklangensemble in unseren Tagen darstellt - man hatte dies jüngst auch bei den Salzburger Festspielen (mit Händels "Giulio Cesare in Egitto") erleben können.

Ungestüm wechselte mit Grazie, breitärschige Wucht mit schlanker Leichtigkeit: ein wirbelndes, sinnliches und doch auch von aristokratischer Haltung durchdrungenes Theater der Gefühle. Im Auge des Emotionsorkans Giovanni Antonini - mit Haaren wie ein in Würde gealterter Gallagher-Bruder und, "moves like Jagger", ein auch optisch unterhaltsamer Bandleader. Ein bereichernder, wohltuender Abend. (Stefan Ender, DER STANDARD, 8./9.9.2012)