Eines noch, dann wäre es wieder einmal überstanden. Warum das Ritual, das der ORF alljährlich zum Ferienausklang inszenieren zu müssen glaubt, unter dem Titel "Sommergespräche" läuft, ist unerklärlich. Vielleicht hofft am Küniglberg jemand, damit lasse sich ein politischer Bildungsauftrag mit bodenständiger Leidenschaft für sinnfreie Fernsehunterhaltung kombinieren. Gespräche laufen unter halbwegs urbanen Menschen jedenfalls anders ab als in diesem Format vorgeführt, sie setzen das voraus, was heimischen Politikern vor laufenden Kameras abgeht, nämlich oft die Fähigkeit und so gut wie immer der Wille, wirklich zu kommunizieren. Schon das hölzerne Arrangement nach dem Ministerrat mit Kanzler und Vizekanzler hinter Stehpulten signalisiert Kontaktscheu, und unter vier Augen läuft es nicht besser.

Von einem Gedankenaustausch, der doch ein Gespräch sein sollte, nie eine Spur. Der gusseiserne Ritus schreibt vielmehr vor: Der Politiker, die Politikerin will eine von Beratern entworfene Botschaft durchbringen, unabhängig von ihrer Originalität oder Glaubwürdigkeit, der Moderator will einen Katalog von Fragen abarbeiten, mit denen eine medial längst gut genährte Erwartung des Publikums befriedigt werden soll, nach dem Motto "Nur keine Überraschungen!" Die Inszenierung macht es nicht besser. Die Idylle, in die die Interviews gebettet werden, wenn es das Vorleben des Kandidaten nur irgendwie gestattet, soll das Zwanghafte der Situation vergessen machen und die Zuseher in der Hoffnung wiegen, jeden Augenblick könnte Hansi Hinterseer oder wenigstens ein durchreisender Schmetterling für Entspannung sorgen.

Statt zu jener lockeren Haltung zu finden, die für ein Gespräch - Gespräch! - unter Erwachsenen typisch wäre, sitzen die Kontrahenten einander wie angenagelt gegenüber. Auf der einen Seite entweder so verkrampft, dass es beim Zusehen wehtut, oder in jener Lockerheit, die den Verdacht der Einnahme aufputschender Substanzen nährt. Auf der anderen Seite eine Mischung aus wohlpräpariertem Inquisitor und gnadenloser Hebamme, deren mäeutisches Bemühen, dem Gegenüber, wenn schon keine Geistesfrucht, so wenigstens die Nachgeburt eines überraschenden Gedankens zu entlocken, jedenfalls bisher erfolglos blieb, wie eisern die Quizkarten auch umklammert werden.

Oder doch nicht ganz erfolglos? Dass ÖVP-Obmann Michael Spindelegger, um sich etwas Luft zu verschaffen, Armin Wolf als einstiges Mitglied der Jungen ÖVP outen zu müssen glaubte, kam doch überraschend, umso mehr als er offenließ, ob er damit Milde heischen oder seine Jugendorganisation rüffeln wollte. Originalität birgt halt auch Gefahren, daher die Sparsamkeit bei ihrer Anwendung. So gesehen ist der Satz "Ich schalte ganz fad mein Hirn ein" eine Maxime, die sich im Umgang mit Medien bewährt, wenn man sich nur daran hält. Vielleicht könnte man an künftigen Sommerlochfüllern Gesprächstherapeuten teilhaben lassen, um die Sache ein wenig aufzulockern. Man darf sich davon keine Wunder erwarten, aber schon der Montagabend könnte dann zu einem Höhepunkt des Sommers werden. (Günther Traxler, DER STANDARD, 7.9.2012)