Alle Politiker fürchten sich vor Frank Stronach, obwohl seine Mannschaft mittelmäßig ist, sein Programm simpel gestrickt und seine ökonomischen Thesen von den Fachleuten aller Couleurs in der Luft zerrissen werden. Stronachs Programm heißt vor allem: Stronach. Aber damit hat er etwas zu bieten, das niemand anderer bieten kann, nämlich einen Traum. Es ist der Traum vom kleinen Mann, der auszog, um reich zu werden und es auch wirklich wurde. Seine heimliche Botschaft lautet: Ich habe es geschafft. Wenn du willst, kannst du es auch schaffen.

Millionen träumen diesen Traum. Es ist eher ein amerikanischer als ein österreichischer Traum. Vom Tellerwäscher zum Millionär. Wer wagt, gewinnt. Go west, young man. Freie Bahn dem Tüchtigen. So etwas gab es öfter in der Neuen als in der Alten Welt. Hierzulande wurden die jungen Leute seit Generationen mit anderen Lebensregeln gefüttert: Bleibe im Lande und nähre dich redlich. Immer schön bescheiden bleiben. Und am besten Beamter werden, das ist was Sicheres. Insofern ist Frank Stronach eine Rarität in der politischen Landschaft Österreichs. Inmitten der anderen Parteiführer nimmt er sich aus wie eine Feldkartoffel unter Glashausfrüchten. Eine ähnliche Aura umgibt ihn wie seinen steirischen Landsmann Arnold Schwarzenegger, auch einer, der es jenseits der Grenzen von ganz unten nach ganz oben geschafft hat.

Der reiche Mann in der Politik hat in Österreich keine Tradition. Kein bedeutender Politiker hierzulande war reich, weder Julius Raab noch Bruno Kreisky, weder Ignaz Seipel noch Otto Bauer. Anders in den USA, wo der derzeitige republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney nur der letzte in einer langen Reihe von Millionären ist, die an die Spitze gelangt sind. Seinem Rivalen Barack Obama hält er als Manko vor, dass dieser nie Geschäftsmann war. Reichtum angehäuft haben zählt in Amerika schon an sich als Qualifikation für ein hohes politisches Amt. Ähnliches gilt für Silvio Berlusconi in Italien, der es ebenfalls ohne wirkliches Programm, nur im Glanz seiner Millionen, zum Premierminister gebracht hat.

Kann man sich in Österreich auf den Flügeln des Geldes in die Spitzenpolitik tragen lassen? Das ist das eigentlich Spannende am kommenden Wahlkampf und am Abschneiden der noch zu bildenden Stronach-Partei. Das Programm - gegen den Euro, gegen die EU, gegen Hilfen für strauchelnde EU-Länder - ist nicht originell. Das hat Heinz-Christian Strache auch. (Plus Ausländerfeindschaft, ein Element, das bei Stronach dankenswerterweise fehlt.) Die paar Hinterbänkler aus anderen Parteien, die sich in der Hoffnung auf ihr politisches Überleben im Parlament zu Stronach geflüchtet haben, sind ebenfalls kaum geeignet, die Wähler zu begeistern. Das Zugpferd ist der alte Herr selber und seine Lebensgeschichte vom kleinen Franz Strohsack zum großen Konzernchef Frank Stronach. Und der Duft des Geldes, der ihn umgibt wie ein berauschendes Parfum.

Als Farbtupfer in einer grauen Politlandschaft und als wagemutiges Vorbild für werdende Unternehmer in einem Land, in dem Industriepioniere rar sind, hat der Mann aus der Steiermark durchaus seine Meriten. Als politischer Vordenker allerdings eher nicht. (Barbara Coudenhouve-Kalergi, DER STANDARD, 6.9.2012)