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Eigentlich ist er ja eine Österreicher-Strecke, der Brands Hatch Circuit, auf dem die paralympischen Radstraßenrennen aufgeführt werden. Von den zwölf rund 30 Kilometer südlich Londons in der Grafschaft Kent ausgefahrenen Formel-1-Rennen zwischen 1964 und 1986 endeten vier mit österreichischen Erfolgen. 1970 feierte Jochen Rindt im Lotus auf der Einbahn zum posthumen Weltmeistertitel in Brands Hatch seinen vorletzten Grand-Prix-Sieg. Niki Lauda triumphierte 1976 auf Ferrari und 1982 sowie 1984 im McLaren. Nach zwei Triumphen von Lokalmatador Nigel Mansell im Williams zeigte die Formel 1 Brands Hatch vor allem aus Sicherheitsgründen den Heckflügel, um fürderhin den GP von Großbritannien nur noch in Silverstone zu zelebrieren.

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Am Mittwoch wirkte der befahrene Streckenabschnitt - ein Großteil der zwischen sieben und zehn Kilometer langen paralympischen Runden liegt allerdings außerhalb des Circuits - selbst für die flotten Radfahrer und Handbiker ein wenig, nun ja, old fashioned. Ganz abgesehen von der im Andenken an die abgasgeschwängerte Historie mangels Motorengebrüll eher bedrückenden Idylle, die auch die vielen Zuseher nicht nachhaltig stören konnte.

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Große Emotionen schüttelten schließlich Alessandro Zanardi, der am Nachmittag seinen ersten paralympischen Start absolvierte und im Einzelzeitfahren über 16,8 Kilometer gegen neun andere Handbiker seiner Klasse H4 für beinamputierte Athleten triumphierte. Seine Beine bis oberhalb der Knie und beinahe tödlich viel Blut hat der Italiener, der 41 F1-Rennen schmückte, aber nur einen Punkt herausfahren konnte, 2001 bei seinem Champ-Car-Unfall auf dem Lausitzring in Deutschland verloren. Seit 2007 fährt der Mann aus Bologna mit dem Handbike, im Vorjahr gewann er mit dem Gerät den New York Marathon. Das Wiedersehen mit Brands Hatch fand der 45-Jährige anstrengend und vor allem aufregend, auch "wenn ich hier schon sechsmal schneller unterwegs war".

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Tatsächlich erreichten die Handbikes in Brands Hatch bergab an die 60 km/h. Etwas schneller sind selbstredend die Athleten in den nichtsitzenden Klassen mit den je nach Behinderungsgrad modifizierten Zeitfahrmaschinen. Der Niederösterreicher Wolfgang Eibeck, der ohne Finger an der rechten Hand zur Welt kam, brachte es nach dem knackigen, Graham Hill getauften Anstieg in der Abfahrt vom Hailwood Hill (Motorradlegende mit Mike als Vor-, ohne Hill als Nachname) auf einen guten 70er. In seinem Rennen brachte er es aber nur auf Rang sechs, was den 39-jährigen Postler deshalb grämte, weil er bei seinen vier Paralympics zuvor immer zumindest eine Medaille geholt hatte. Für das heutige Straßenrennen gibt sich Eibeck geringere Chancen.

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Der querschnittgelähmte Linzer Walter Ablinger (43) gewann in seiner Handbike-Klasse Silber. Er war auf dem Weg zu Gold gewesen, als ihn ein Begleitauto abdrängte und sein Bike beschädigte. "Ich bin froh", sagte Ablinger, "dass ich lebe." Und der 52-jährige Wiener Wolfgang Schattauer, der 2008 in Peking die Goldmedaille gewonnen hatte, holte diesmal Bronze. Österreich hält damit bei zwei Goldenen, drei Silbernen und fünf Bronzenen. (Sigi Lützow, DER STANDARD, 06.09.2012)

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