Räder der anderen Art: In einer Kleingemeinde auf den Philippinen stellen 20 Beschäftigte umweltfreundliche Bambus-Bikes her.

Foto: Kollenberg

Ein fertiges Bambus-Bike.

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Nel Asuncion ist 38 Jahre alt. Früher war er Reisbauer, heute baut er Bambusräder. "Das ist einfache Arbeit", freut er sich und sagt: "Zwei bis drei Monate Einarbeitung, danach war es kein Problem mehr, einen Fahrradrahmen zu bauen." Neben ihm steht Bruder Jun: "Nel ist der Original-Bambike-Bauer", grinst der 45-Jährige. "Er war der Erste, der für Bryan gearbeitet und von ihm gelernt hat, wie man die Räder baut."

Beide Männer gehören zu einer Gruppe von 20 philippinischen Arbeitern, die für den US-Filipino Bryan Benitez McClelland Fahrradrahmen aus Bambus in Handarbeit herstellen. 250 Pesos, knapp fünf Euro, verdienen die Männer am Tag. Ein karges, aber stabiles Einkommen in einem Land, in dem rund 30 Prozent der Bevölkerung von weniger als einem Dollar am Tag leben. Hinzu kommt: Ihre Arbeitsstätte ist mitten in ihrer kleinen Siedlung. Zum Mittagessen gehen sie nach Hause. Nachmittags spielen vor der Tür die eigenen Kinder.

Bessere Lebensbedingungen

Die Räder, die in Tarlac, rund drei Stunden nördlich der Hauptstadt Manila, gebaut werden, sind lediglich ein Vehikel, könnte man sagen. "Ich möchte Arbeitsplätze schaffen", sagt der 28-jährige McClelland. Klar wolle er auch Geld verdienen, schließlich habe er einen Kredit aufgenommen, aber die Verbesserung der Lebensbedingungen in der rund 100 Einwohner zählenden Gemeinde stände an erster Stelle. Er plant einen Spielplatz für die knapp 70 Kinder des Dorfes und eine Waschstation, um die Hygiene zu verbessern. Die Bambusräder sollen dafür das nötige Geld liefern.

"Die Idee für die Bambusräder hatte ich vor fünf Jahren", erzählt er. Er habe von einem Landsmann aus den USA gelesen, der etwas Ähnliches in Ghana mache. Für den Halbfilipino McClelland stand sofort fest: Das lässt sich auch auf den Philippinen machen. Zweieinhalb Jahre brauchte McClelland, bis er Craig Calfee, den Bambusradbauer aus Ghana, auf die Philippinen geholt hatte. Dort teilte der sein Wissen mit McClelland, brachte ein "Starter Kit" mit und zeigte dem damals 25-Jährigen, wie er die Räder zu konstruieren habe.

McClelland passte die Fahrradwerkzeuge an die eigenen Bedürfnisse an und feilte an der Bautechnik. "Forschung und Entwicklung" nennt er das. Nicht im Hightech-Labor, sondern auf der Terrasse seiner Wohngemeinschaft unweit des Rotlichtviertels Makati in der philippinischen Hauptstadt Manila bastelte McClelland die ersten Rahmen.

Inzwischen sind die Rahmen so, wie sie sein sollen. Hier und da braucht es noch die eine oder andere Feinjustierung, aber insgesamt läuft es gut. Erst ein paar Wochen ist es her, dass die Rahmen zertifiziert worden sind, berichtet McClelland stolz. Um die Räder in größeren Stückzahlen nach Europa, in die USA oder Länder wie Korea und Japan verkaufen zu können, müssen diese bestimmte Standards erfüllen.

Geprüft und zertifiziert

"Wir haben die Räder von Intertek Testing zertifizieren lassen", sagt McClelland. Das Rennrad und das Mountainbike seien ausgereift, zertifiziert und könnten nun exportiert werden. Zuerst sollen sie in den USA zum Kassenschlager werden. Dann will McClelland damit auch nach Europa und Asien. "Wir sprechen zurzeit mit möglichen Partnern in den jeweiligen Ländern", sagt er.

40 Räder hat McClelland bisher verkauft. Rund 1000 Dollar kostet ein Mountainbike-Rahmen, ein ganzes Rad mehr. Das neueste Modell, ein Beachcruiser, wird voraussichtlich auch etwas teurer werden. Er besteht fast ausschließlich aus Bambus. Zehn Prozent der Gewinne aus den Verkäufen fließen zurück in die kleine philippinische Gemeinde in der die Arbeit getan wird.

Geht es nach McClelland, soll seine Firma "Bamb Öko-Technologie" eine Revolution anführen. Bambus ist bestens zur CO2-Reduktion geeignet, wächst schnell und ist belastbar. Neben Fahrrädern lassen sich noch andere Dinge aus dem Naturstoff machen. Auch McClellands Vision endet nicht bei Fahrrädern: so viele Plastikprodukte wie möglich durch gleichwertige oder gar bessere aus Bambus zu ersetzen ist sein Ziel. (Malte E. Kollenberg, DER STANDARD, 6.9.2012)