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Bei der Abschiebung von Kindern kommt es immer wieder zu Protesten. Im Bild der Fackelzug für die Flüchtlingsfamilie Komani 2010 in Steyr. Ihr Schicksal hatte eine Solidaritätswelle ausgelöst.

Foto: epa/RUDOLF BRANDSTAETTER

Salzburg - Als im August dieses Jahres einer aus der Türkei stammenden Kurdin die Abschiebung drohte, ist Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) der Geduldsfaden gerissen. Die Frau ist mit einem Österreicher verheiratet, bei einer Abschiebung hätte auch ihr damals knapp drei Monate altes Baby Österreich verlassen müssen. Die De-facto-Abschiebung des Neugeborenen - mit österreichischer Staatsbürgerschaft - konnte in letzter Minute mit Intervention der Landesregierung verhindert werden.

Zurzeit seien die Bezirksverwaltungsbehörden zu stark an die Vorentscheidungen der Sicherheitsdirektion (Landespolizeidirektion) gebunden, kritisiert Schaden. Würden gut integrierte Familien auseinandergerissen, sei das "beunruhigend". Der Verweis, dass die Betroffenen illegal eingereist wären, ärgert ihn besonders. Flüchtlinge reisten meist illegal ein, sie könnten sich nicht so ohne weiters bei einer Botschaft um Visa anstellen.

Bürgermeister: Kein Kontakt von Behörden

Landauf, landab sind Kommunalpolitiker immer wieder mit der rigiden Abschiebepraxis konfrontiert. Im Vorarlberger Röthis etwa konnte Bürgermeister Norbert Mähr (Gemeindeliste) 2010 nur knapp verhindern, dass eine Familie in der Nacht abgeholt wurde. Im oberösterreichischen Gallneukirchen konnte Walter Böck (ÖVP) - bis 2009 Bürgermeister - den Aufenthalt für zwei Asylwerberfamilien erstreiten. In Feldkirchen an der Donau ist dies einem roten Bürgermeister gelungen.

Übereinstimmend beklagen alle Kommunalpolitiker, von den Behörden nie kontaktiert worden zu sein. Alles entscheidend sei die Stellungnahme der Sicherheitsbehörde, "und die bekommen die Bürgermeister nie zu Gesicht", fasst Böck zusammen. "Wir erfahren die Geschichte meist erst, wenn es zu spät ist", sagt auch der Präsident des Gemeindebundes, Helmut Mödlhammer (ÖVP).

Schaden: Mehr Spielraum für Bürgermeister

Salzburgs Bürgermeister Schaden will das ändern. Schaden, auch Vizepräsident des Städtebundes, fordert, dass die Bürgermeister "mehr Spielraum" bei Entscheidungen über das humanitäre Bleiberecht bekommen. In überschaubaren Verhältnissen lasse sich vieles leichter beurteilen.

Gemeindebundpräsident Mödlhammer unterstützt Schaden ebenfalls. Bei der Entscheidung über einen humanitären Aufenthalt müsse die Stellungnahme der Bürgermeister "verpflichtend" zur Beurteilung herangezogen werden, verlangt er. Etwas vorsichtiger ist das Grazer Stadtoberhaupt Siegfried Nagl (ÖVP). Der Vorstoß von Schaden und Mödlhammer sei für kleine Gemeinden "nachvollziehbar". Hier würden die Bürgermeister die Asylwerber noch kennen. Bei großen Städten sei dies schwieriger.

Über die Umsetzungschancen seiner Vorschläge macht sich Schaden keine Illusionen. Er glaubt, dass er nicht einmal bei der Bundes-SPÖ Unterstützung findet, denn diese habe alle Verschärfungen mitgetragen.

Ministerium blockt ab

Im Innenministerium herrscht auch Skepsis. Der regionale Bezug bestehe, da jetzt schon die Länder über die mittelbare Bundesverwaltung für derlei Fälle zuständig seien. Ähnliches gelte auch für das ab 2014 zuständige neu gegründete Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl: Hier würden in den Regionaldirektionen "die Inputs der Bürgermeister gehört", sagt eine Ministeriumssprecherin.

Applaus kommt von den Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen: "Es wäre gut, wenn ein Vetorecht bei den Bürgermeistern liegt, aber der Umkehrschluss ist nicht zulässig", sagt Michael Genner vom Verein Asyl in Not im Gespräch mit dem STANDARD. Auch Heinz Fronek von der Asylkoordination Österreich hält die Berücksichtigung des regionalen Umfeldes für wichtig. Entscheidender sei es aber freilich, bei der Prüfung von Verfahren die Integrationsmaßstäbe großzügiger anzulegen. (bri/cms/jub/ker/neu/ruep, DER STANDARD, 6.9.2012)