Die SPÖ habe verabsäumt, das Parkpickerl gemeinsam mit den Grünen durchzufechten, räumt Bürgermeister Häupl ein: "Ich sage nicht, wir hätten keine Fehler gemacht. 

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STANDARD: Warum wollten Sie eigentlich nie SP-Chef werden?

Häupl: Wer in Wien Bürgermeister sein darf, hat keine anderen Wünsche. Das ist der absolute Topjob.

STANDARD: Warum tun Sie dann gerne so, als ob Sie's wären?

Häupl: Das mache ich nicht!

STANDARD: Sie und Ihr ÖVP-Pendant Erwin Pröll geben oft eine Linie vor, die Ihre armen Parteichefs dann unter argen Verrenkungen nachhüpfen - siehe Wehrpflicht.

Häupl: Niemand muss nachhüpfen. Ich habe nur vorgeschlagen, dass man über die Wehrpflicht das Volk fragen soll, zumal die Politik trotz jahrzehntelanger Debatte nichts zusammengebracht hat.

STANDARD: Wie dann die Zivildiener ersetzt werden sollen, haben Sie aber nicht dazugesagt.

Häupl: Da gibt es das schlüssige Konzept des freiwilligen sozialen Jahres, das sogar besser motivierte Kräfte bringen wird, weil niemand hineingezwungen wird.

STANDARD: Das dürfte aber teurer als der Zivildienst werden, wenn man kein Lohndumping will.

Häupl: Das sehe ich gar nicht so, sondern kommt auf den echten Bedarf an - und über die Höhe der Bezahlung wird gerade diskutiert. Eigentlich sollte eine Gewerkschaft erst einmal verhandeln, bevor sie sich öffentlich beschwert.

STANDARD: Was, wenn das Volk pro Wehrpflicht abstimmt und die SPÖ einen Dämpfer bekommt? Nehmen Sie das auf Ihre Kappe, oder ist dann die Bundespartei schuld?

Häupl: Da wird nach dem Schuldigen gesucht, bevor noch was passiert ist - skurril. Ich sage: Schau'n wir mal. Ich erinnere an das Nein zum Atomkraftwerk Zwentendorf, das 1978 nicht meiner Meinung, aber jener von Bundeskanzler Bruno Kreisky widersprochen hat. Die nächsten Wahlen hat er trotzdem mit Glanz und Gloria gewonnen.

STANDARD: Bei der Wehrpflicht schien die SPÖ nicht der eigenen Überzeugung zu folgen, sondern einer Kampagne der Krone. Wie viel Anbiederung an den Boulevard braucht es zwecks Machterhalt?

Häupl: Gar keine. Wie Franz Voves oder - ein unverdächtiger Zeuge - Wolfgang Schüssel bewiesen haben, kann man auch ohne Unterstützung des Boulevards Wahlen gewinnen.

STANDARD: Kanzler Werner Faymann dürfte davon nicht so überzeugt zu sein. Er scheint staatliche Firmen dazu gedrängt zu haben, Inserate in Boulevardzeitungen zu schalten, die ihn dann bejubeln.

Häupl: Die Inseratendiskussion ist doch eine billige Retourkutsche für das, was sich als Resultat der schwarz-blauen Regierung abgespielt hat. Selbst wenn er die Inserate gewollt hätte: Ist das vergleichbar mit Grasser, Buwog oder Kärnten? Das ist absurd.

STANDARD: Missbrauch öffentlicher Gelder, um sich Wohlwollen zu erkaufen, ist auch keine Bagatelle.

Häupl: Stimmt - wenn es denn so gewesen wäre. Aber seids mir nicht bös: Wenn ein verantwortlicher Ressortchef eine Kampagne vorschlägt, weil es etwa bei der Bahn ein Imagedefizit gibt, ist das noch lang kein Missbrauch. Und konkrete Medien hat Faymann sicher nicht benannt.

STANDARD: Auch die Stadt inseriert üppig im Boulevard. Warum legen Sie die Summen nicht offen?

Häupl: Warum sollten wir?

STANDARD: Um den Verdacht, man erkaufe sich Zustimmung, aufzuklären.

Häupl: Laut Transparenzgesetz wird bald alles offengelegt, und über die Ergebnisse werdet ihr euch wundern! Wer glaubt, dass sich heute noch wohlwollende Berichterstattung erkaufen lässt, sitzt einem fundamentalen Irrtum auf. Ich erinnere an die Kampagne eines Boulevard-Redakteurs gegen die Vizebürgermeisterin.

STANDARD: Die Stadt hat vier Milliarden Euro Schulden. Ist das eine beunruhigende Größe?

Häupl: Ja, aber das hat ja auch einen Grund. 2008 haben wir den Plan entwickelt, uns aus der Krise hinauszuinvestieren und zu ausgezeichneten Konditionen Geld aufgenommen. Aber keine Frage: Wir machen hier im hohen Ausmaß keynesianische Politik - und werden nach der Krise unsere Schulden zurückzahlen.

STANDARD: 107.000 Unterschriften gegen das Parkpickerl sind gültig, trotzdem wird es keine Befragung geben. Was versteht die Wiener SPÖ unter direkter Demokratie?

Häupl: Die Fragestellung der Opposition ist verfassungswidrig, das habe nicht ich festgelegt, sondern unabhängige Gutachter. Wir werden eine verfassungskonforme Fragestellung einbauen.

STANDARD: Wird es nun eine gemeinsame Befragung mit der Wehrpflichtabstimmung geben?

Häupl: Es ist nicht ausgeschlossen.

STANDARD: Ist das juristisch überhaupt möglich? Die Wiener Wahlbehörde hat Zweifel bekundet.

Häupl: Wir prüfen das gerade.

STANDARD: Musste die SPÖ in der Koalition mit den Grünen lernen, mit Bürgerbeteiligung umzugehen?

Häupl: Das hat es vorher auch schon gegeben. Aber es könnte institutionalisierter sein. Es darf kein Wildwuchs entstehen.

STANDARD: Haben Sie die Ausweitung des Parkpickerls entschlossen genug durchgefochten?

Häupl: Ich sage nicht, dass wir keine Fehler gemacht hätten.

STANDARD: Was ist denn schiefgelaufen?

Häupl: Die Kommunikation vorher.

STANDARD: Hätten Sie früher mit dem Koalitionspartner gemeinsam kommunizieren müssen?

Häupl: Ja. Wir sind in einer Regierung und haben das auch gemeinsam zu tragen.

STANDARD: Es gab immer wieder Gegenschüsse aus den eigenen Reihen. Haben Sie die Partei bei dem Thema nicht im Griff?

Häupl: Das ist Spinat von gestern, und Spinat soll man nicht aufwärmen.

STANDARD: Georg Brockmayer von der SPÖ in Penzing wirft Ihnen Populismus bei der Verkehrspolitik vor. Rumort es so sehr in der Partei, dass nur Sie den Druck unten halten können und deswegen 2015 erneut kandidieren müssen ?

Häupl: Gott sei Dank gibt es in einer so großen Partei unterschiedliche Meinungen. Prinzipiell fällt mir kein Stein aus der Krone, wenn jemand meine Ideen falsifiziert. Ich bin weit weniger autoritär als mein Ruf.

STANDARD: Haben Sie kein Bauchweh, wenn Sie an die Zukunft der SPÖ denken?

Häupl: Nein, schon gar nicht bei der Wiener SPÖ. Wir wissen, was wir zu tun haben, und wissen, wo der Gegner steht. Und der steht nicht in den eigenen Reihen.

STANDARD: Sie haben VP-Chef Manfred Juraczka bei einem Fußballturnier in Ihr Team geholt. Können Sie sich auch eine Koalition mit ihm vorstellen?

Häupl: Grundsätzlich wünsche ich mir eine absolute Mehrheit, aber ich habe da überhaupt keine Berührungsängste mit der ÖVP. Was ich sicher nicht mache, ist eine Koaltion mit der FPÖ. Die Inhalte sind nicht kompatibel. (Julia Herrnböck und Gerald John, DER STANDARD, 6.9.2012)