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Showdown in der EZB. Am Donnerstag tagt der Rat der Zentralbank, Details zum Staatsanleihen-Programm werden erwartet.

Foto: ap/Patrick Sinkel

Fast sehnsüchtig warten Märkte, Machthaber und Medien auf die Zinssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) heute Donnerstag. Und das nicht, weil es irgendjemanden sonderlich interessiert, was mit dem Leitzins passieren wird. Der liegt derzeit ohnehin bei historisch tiefen 0,75 Prozent, Experten erwarten im September keine Senkung des Leitzinses. Die Erwartungen ob einer richtungsweisenden Entscheidung in Sachen Staatsanleihen-Käufe sind aber hoch.

Am Montag jedenfalls feierte der EZB-Chef Mario Draghi seinen 65. Geburtstag. Andere sind in diesem Alter schon in Pension, Herr Draghi schlägt sich mit den Unwägbarkeiten der Krise, mit ihren Auswirkungen auf die Wirtschaft und vor allem mit der Frage, wie die Notenbank dabei agieren soll, herum. Dafür ließ der Italiener sogar das traditionelle jährliche Treffen von Notenbankern aus aller Welt im US-amerikanischen Jackson Hole sausen.

Seit nicht ganz einem Jahr lenkt Draghi nun die Geschicke der EZB und des Euro. Von Anfang an wurde er kritisch beäugt, nicht zuletzt wegen der schwierigen Situation, in der sich die Eurozone seit mehreren Jahren befindet.

Taube fliegt

Draghis erste Amtshandlung im November 2011 - die Senkung des Leitzinses während eines der vielen Höhepunkte der Krise - bescherte ihm das Label "Taube". Das hat nichts mit irgendwie gearteten physischen Ähnlichkeiten mit dem Vogel zu tun, "Tauben" und "Falken" bewohnen Notenbanken seit jeher. Dabei sind die Tauben Anhänger einer eher lockeren Geldpolitik , Falken hingegen fühlen sich der strikt antiinflationären Geldpolitik verpflichtet. Mit Zinssenkungen oder einer Ausweitung der Geldmenge der Konjunktur auf die Sprünge helfen zu wollen, halten Falken für ein gefährliches Spiel.

Flügelkämpfe zwischen den beiden Gattungen von Notenbankern sind es auch, die derzeit die Diskussion um mögliche Staatsanleihen-Käufe der EZB immer wieder anfachen. Der deutsche Bundesbank-Chef, Jens Weidmann, gilt als einer der wenigen letzten "Falken" in der Riege der Währungshüter. In den vergangenen Wochen wurden die Gräben zwischen ihm und EZB-Chef Draghi immer deutlicher, unterschiedliche Meinungen zu geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbank richtete man sich auch über die Medien aus.

Solche Kämpfe sind kein Novum, vor allem nicht in den turbulenten Krisenjahren. Zwei deutsche Ökonomen, Weidmanns Vorgänger Axel Weber und der EZB-Chefökonom Jürgen Stark, räumten im vergangenen Jahr ihre Posten. Der Grund: Der Frust über die unterschiedliche Auffassung darüber, was Notenbanken sollen oder dürfen und was nicht. 

Interventionen am Bonds-Markt

Draghi hat unlängst erneute Interventionen am Anleihenmarkt in Aussicht gestellt, falls kriselnde Länder zuvor Hilfen - gegen entsprechende Auflagen - beim Euro-Rettungsfonds beantragen. Schon 2010 und 2011 startete die EZB mit dieser umstrittenen Methode in den Kampf gegen die Krise. Nähere Details zu dem jüngsten Vorstoß erwarten Experten und Anleger nun von der Pressekonferenz nach der Sitzung am Donnerstag. Daran wird auch Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker teilnehmen und die Analyse der Eurogruppe zur wirtschaftlichen und finanziellen Situation der Eurozone erläutern. Ein unüblicher Programmpunkt, der auf die Brisanz dieser Zentralbank-Sitzung und die weitreichenden Folgen der Entscheidungen hinweisen könnte. Die Währungshüter beabsichtigen laut Kreisen, ihre neuen Anleihekäufe dem Volumen nach nicht zu begrenzen.

Die grundsätzliche Bereitschaft, Krisen-Ländern per Anleihen-Käufe unter die Arme zu greifen, gab Draghi schon im August ab. Seitdem bekräftigt er dieses Bekenntnis immer wieder, der Euro müsse um jeden Preis gerettet werden. 

Hohe Erwartungen

Weidmann hält von solchen Interventionen gar nichts. Für den deutschen Bundesbanker überwiegen die Risiken, das Anleihen-Programm sieht er als Staatenfinanzierung über die Notenpresse, was dem Mandat der EZB widerspreche. Er wird daher bei der EZB-Sitzung wie erwartet gegen das geplante Staatsanleihen-Programm der EZB stimmen. Und dabei höchstwahrscheinlich alleine bleiben.

Da der EZB-Rat keine einstimmigen Entscheidungen treffen muss, bleibt für Donnerstag eigentlich nur offen, wie das neue Staatsanleihen-Programm der EZB genau aussehen wird. Anfang der Woche sickerte durch, dass die EZB wohl nur Bonds mit kurzer Laufzeit bis maximal drei Jahren kaufen wird. Außerdem soll das Tor zum Primärmarkt - also da, wo Staaten ihre Schulden direkt begeben - vorerst zu bleiben. Die EZB wird nur am Sekundärmarkt eingreifen, also nur Staatsanleihen kaufen, die bereits am Markt gehandelt werden. Falken- und Tauben-Geister scheiden sich daran, ob der Eingriff am Sekundärmarkt noch ein unmittelbarer ist. Das würde nämlich dem Mandat der EZB widersprechen.

Die Erwartungen der Anleger und der Politik an die September-Sitzung der EZB sind jedenfalls sehr hoch. Deswegen gilt als äußerst unwahrscheinlich, dass Draghi am Donnerstag nicht mit konkreten Plänen, vielleicht sogar schon einer Art Startschuss, herausrückt. Alles andere würde wohl zu einer harschen Reaktion an den Finanzmärkten führen, und den Druck auf Krisenländer wie Griechenland, Spanien oder Portugal wieder massiv erhöhen. (Daniela Rom, derStandard.at, 6.9.2012)