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Fast jede Dritte werdende Mutter muss an einem Arbeitsplatz arbeiten, der nicht gesetzeskonform ist.

Foto: AP/Stache

"Das Vereinbarkeitsproblem zwischen Kind und Karriere beginnt oft schon in der Schwangerschaft, nicht erst, wenn das Kind da ist", sagt Judith Schwentner, Frauensprecherin der Grünen. Sie wollte nach Inkrafttreten einer Gesetzesnovelle in einer parlamentarischen Anfragen wissen, wie sich die Zahl der Frauen im vorzeitigen Mutterschutz entwickelt hat und wie oft das Arbeitsinspektorat die Arbeitsplätze von Schwangeren überprüft. Die Zahl jener Frauen, die den vorzeitigen Mutterschutz in Anspruch nahmen, ist demnach österreichweit von 2010 auf 2011 um knapp ein Drittel zurückgegangen. Während im Jahr 2010 noch 23.866 Frauen vorzeitiges Wochengeld bezogen, waren es 2011 nur mehr 16.516. Das zeigt die Anfragebeantwortung durch das Gesundheitsministerium

Verschärfung des Gesetzes

Grund für den starken Rückgang dürfte eine Gesetzesnovelle sein, die am 1. Jänner 2011 in Kraft trat. Darin wurde genau definiert, welche Beschwerden vorliegen müssen, damit der vorzeitige Mutterschutz gewährt wird. Schwangeren, die Komplikationen wie Blutungen, starke Migräne oder niedrigen Blutdruck mit Kollapsgefahr aufweisen, steht seither der vorzeitige Mutterschutz nicht mehr zu. Vor der Novelle wurde ein vorzeitiges Beschäftigungsverbot bei solchen Beschwerden meist genehmigt.

Die aus der strengeren Regelung resultierenden Einsparungen sind beträchtlich, wie das Beispiel der Kärntner Gebietskrankenkasse (KGKK) zeigt. Im Jahr 2010 gab die KGKK für 2.526 Frauen im vorzeitigen Mutterschutz noch mehr als 12,5 Millionen Euro aus. 2011 wandte sie für nur noch 1.278 Fälle 7,1 Millionen Euro auf. Dieser Trend setzt sich auch heuer fort. Im ersten Halbjahr 2012 gewährte die KGKK 652 Frauen vorzeitigen Mutterschutz bei Ausgaben von 2,5 Millionen Euro.

Strenge Kassen

Ein Blick in die Statistik zeigt allerdings, dass die neun Gebietskrankenkassen bei der Gewährung des Mutterschutzes unterschiedliche Maßstäbe anlegen dürften. Auffallend stark ist der Rückgang bei der Kärntner und der Wiener Gebietskrankenkasse: Die Zahl werdender Mütter, die vorzeitig Wochengeld bezogen, ging in Wien und in Kärnten von 2010 auf 2011 um ganze 50 Prozent zurück. Den geringsten Rückgang verzeichnete die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse mit rund elf Prozent.

Die Wiener Gebietskrankenkasse verweist auf Nachfrage nach den Gründen dafür auf die Wiener Ärztekammer. Diese sieht die Ursache für den starken Rückgang in der Bundeshauptstadt in der angespannten Situation am Arbeitsmarkt. "Aus Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, trauen sich vielleicht manche Schwangere nicht, vorzeitig in Mutterschutz zu gehen", sagt Thomas Szekeres, der Präsident der Wiener Ärztekammer, im Gespräch mit derStandard.at. Sollte das der Fall sein, sei das eine "bedenkliche Entwicklung", die untersucht gehöre und gegen die man Maßnahmen setzen müsse.

Jeder dritte Arbeitsplatz nicht schwangerengerecht

"Besonders alarmierend sind die Zahlen der Beanstandungen durch das Arbeitsinspektorat", sagt Schwentner. Werdenden und stillenden Müttern muss die Möglichkeit gegeben werden, sich während der Arbeitszeit hinzulegen und auszuruhen. Bei 7.511 Überprüfungen beanstandeten die Arbeitsinspektoren im vergangenen Jahr 2.387 Arbeitsplätze. In 14 Fällen erfolgte eine Strafanzeige, wie aus der Anfragenbeantwortung des Sozialministeriums hervorgeht.

Schwentner schließt aus den Zahlen: "Fast jede dritte werdende Mutter muss an einem Arbeitsplatz arbeiten, der nicht gesetzeskonform ist." Im Gespräch mit derStandard.at fordert sie strengere Kontrollen der Arbeitsplätze von schwangeren Frauen. Auch der starke Rückgang der Zahl von Frauen im vorzeitigen Mutterschutz müsse evaluiert werden.

Schwentner fordert Betriebshilfe

Für eine schwangere Frau, die aufgrund der Arbeitsschutzbestimmungen ihre Tätigkeiten zum Teil oder zur Gänze nicht mehr ausüben darf, muss im Unternehmen ein Ersatzarbeitsplatz eingerichtet werden. Schwentner vermutet, dass in der Vergangenheit viele Unternehmen hier Schlupflöcher genutzt und Schwangere in den vorzeitigen Mutterschutz geschickt haben. Die Kosten dafür müssen die Sozialversicherungen tragen.

Viele, vor allem kleinere Unternehmen, stellt das aber auch vor Schwierigkeiten: "Vor allem für soziale Vereine, deren Förderbudget sehr begrenzt ist, und für kleine Unternehmen mit wenigen Beschäftigten verursacht der Ausfall einer ganzen Arbeitskraft große Probleme", sagt Schwentner. Doch für schwangerschaftsbedingte Risiken müsse ein gesellschaftlicher Ausgleich gefunden werden. Schwentner schlägt daher eine Betriebshilfe vor, die Firmen gewährt werden soll, wenn ihre Mitarbeiterinnen aufgrund einer Schwangerschaft teilweise oder ganz ausfallen. Bezahlt werden solle diese Betriebshilfe aus den Mitteln der Allgemeinen Unfallsversicherungsanstalt. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 7.9.2012)