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Paul Ryan ist Vizepräsidentschaftskandidat der Republikaner. Er wiederholt des öfteren Vorwürfe gegen Obama, die nicht der Faktenlage entsprechen.

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Mitt Romney will Präsident werden. Viele seiner Politikvorschläge sind so unkonkret, dass sie sich nicht überprüfen lassen.

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Alle lügen, bis das Gegenteil bewiesen ist. Im US-amerikanischen Wahlkampf scheint dieser Grundsatz dieses Jahr nicht mehr zu gelten. Die Republikaner lügen in einem Wahlkampfvideo. Das wurde ihnen nachgewiesen. Sie machen trotzdem weiter.

Auslöser einer aktuellen Debatte war ein Werbespot der Republikaner, der Barack Obama vorwirft, er würde von Sozialhilfeempfängern nicht länger verlangen, dass sie im Gegenzug für die finanziellen Leistungen an Arbeitsprogrammen teilnehmen. Der Vorwurf ist nicht korrekt. Obama gibt den Bundesstaaten lediglich die Möglichkeit flexibler in der Wahl der Programme zu sein, von denen sie glauben, dass sie der Reintegration in den Arbeitsmarkt dienen. Keine Rede davon, dass hier Gelder ohne Gegenleistung bezogen werden dürfen. 

Glatte Lügen und Pinocchios

Mehrere US-Medien haben die Behauptungen der Republikaner einer Prüfung unterzogen. Das Ergebnis von Politifact.com, einer mit dem Pulitzerpreis gekrönten Plattform, die Politikeraussagen auf ihren Wahrheitsgehalt prüft, lautet: "pants on fire" - also eine glatte Lüge. Die Washington Post hat die Fakten der Aussage ebenfalls überprüft und vergibt vier von vier möglichen "Pinocchios". Auch die Demokraten kommen in der Washington Post nicht ungeschoren davon und kassieren für ihre Reaktion auf die Vorwürfe aus dem Romney Lager drei "Pinocchios". Sie haben nämlich behauptet, Romney würde jetzt etwas kritisieren, das er als Gouverneur von Massachusetts selbst gefordert hatte. Ebenfalls nicht wahr. 

Demokratische Fehltritte

Schon zuvor haben es auch die Demokraten nicht immer ganz genau mit der Wahrheit genommen. Die Aussage Romneys, er schätze die unternehmerische Freiheit, Leute wenn nötig kündigen zu können, wurde massiv verkürzt. In der Darstellung der Demokraten sagte Romney, er mag es Menschen zu feuern. Eine Aussage, die gut in das Bild des kalt berechnenden Unternehmers passt, das die Demokraten von Romney zu zeichnen versuchen.

Ein weiterer demokratischer Fehltritt: In einem Werbespot suggerieren die Demokraten, Bain Capital und damit Mitt Romney, sei schuld am Tod der Frau des  entlassenen Stahlarbeiters Joe Soptic, weil dieser mit dem Verlust seiner Arbeitsplatzes auch die Mitversicherung seiner Frau verloren habe. Wie sich herausstellte, eine unzulässige Verkürzung der Tatsachen: Romney war zur Zeit der Schließung des Werkes bereits Gouverneur von Massachusetts und Soptics Frau ist auch nicht kurz nach dessen Entlassung gestorben, sondern erst Jahre danach.

Die Weigerung aufzuhören

Trotzdem bedeutet der Umgang mit den falschen Fakten im Video der Republikaner eine qualitative Veränderung im Wahlkampf. Neu ist die Art und Weise, wie dreist die Unwahrheit behauptet wird und wie sie auf die Presseberichte reagieren, die den Wahrheitsgehalt der Aussagen geprüft haben. "Wir lassen uns die Kampagne nicht von Fact-Checkern diktieren", sagte der republikanische Meinungsforscher Neil Newhouse bei einer Podiumsdiskussion mit Medienvertretern während des republikanischen Parteitages Ende August in Tampa. Der Grund für diese sture Haltung: Der Werbespot dürfte bei den Wählern in der weißen Mittelschicht ankommen. Außerdem scheinen sich nur die Wähler des jeweiligen politischen Gegners über die fehlenden Fakten zu beschweren. Dem eigenen Favoriten werden Fehler nachgesehen.

Problematisch an dem Video ist neben der Verbreitung von falschen Fakten, dass damit rassistische Ressentiments geschürt werden. Die Vorurteile in der weißen Mittelklasse, wonach Sozialhilfeempfänger überwiegend schwarz, faul und gewaltbereit wären, sind noch nicht zur Gänze verschwunden.

Palin im Vergleich zu Ryan

Über die Ignoranz der Republikaner im US-Wahlkampf hat Ezra Klein in der Washington Post einen viel beachteten Beitrag verfasst. Der Kommentar ist als Reaktion auf die Rede des Vizepräsidentschaftskandidaten Paul Ryan erschienen. Ein Kollege habe einen Artikel über Ryans Rede am Parteitag der Republikaner geschrieben. Darüber was daran wahr, falsch und missverständlich gewesen sei. Im ersten Entwurf des Artikels, fand sich nur ein Punkt, der als wahr einzustufen ist. Klein konnte es nicht fassen. Er sah sich Ryans Rede nochmal an, um zumindest einen zweiten Punkt zu finden, der wahr sei. Ohne Erfolg.

Dann verglich er die Rede Ryans mit der Palins vier Jahre zuvor, um herauszufinden ob die Parteitagsreden sich schon 2008 kaum an Fakten gehalten haben. Kleins Ergebnis: Nein. Palins Fakten waren korrekt. Obama hatte wirklich wenig Erfahrung im Politikbetrieb, er beabsichtigte die Aufgaben des Staates auszubauen und die Steuereinnahmen zu erhöhen.

Romneys und Ryans Vorwürfe gegen Obama hingegen sind meist nicht haltbar und die eigenen Vorschläge so wenig konkret, dass sie sich der Überprüfbarkeit entziehen. Als Beispiel sei nur erwähnt, dass Romney plant die Staatsausgaben auf 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der USA zu senken. Wie er dieses Ziel zu erreichen gedenkt, lässt er offen. 

Das Problem der fairen Berichterstattung

Klein kommt zu dem Schluss, dass die Republikaner es im aktuellen Wahlkampf nicht schaffen, sich an die Mindeststandards für eine richtige politische Diskussion halten. Zu oft würden bestimmte Aussagen nicht zusammen passen, zu wenige Details beinhalten, um bewertet zu werden oder sind einfach nicht wahr sein. Ihm persönlich gefällt das nicht, schreibt Klein. Es wäre ihm lieber die Medien könnten in beide Richtungen austeilen, Republikanern und Demokraten Schwachstellen und Fehler nachweisen. Aber damit die Berichterstattung ausgewogen sein könnte, müssten die Kampagnen auf dem gleichen Level sein. Dieses Jahr, resümiert Klein, hätten Medien die Wahl: Entweder einen fairen Anschein zu vermitteln, oder wirklich fair zu sein. Beides sei nicht möglich. (mka, derStandard.at, 5.9.2012)