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Gegen Martin Graf wurden Ermittlungen begonnen. Seine parlamentarische Immunität wurde indes noch nicht aufgehoben.

Foto: APA/Hochmuth

Wien - Unerwartete Schützenhilfe von ÖVP und Grünen gibt es für den Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ), gegen den die Staatsanwaltschaft Wien in der Stiftungsaffäre Ermittlungen wegen des Verdachts des schweren Betrugs aufgenommen hat. Grund ist die bisher nicht erfolgte Aufhebung der Immunität Grafs.

Dass die Staatsanwaltschaft dennoch Erhebungen eingeleitet hat, empört den grünen Abgeordneten Karl Öllinger und den Vorsitzenden des Immunitätsausschusses, Wolfgang Großruck (ÖVP). Aus Sicht der Staatsanwaltschaft dagegen ist alles rechtens.

Es könne nicht sein, dass die Staatsanwaltschaft schon ermittle, obwohl Graf vom Parlament noch nicht ausgeliefert worden sei, sagte Öllinger, der auch im Immunitätsausschuss sitzt, im Gespräch mit der APA. Das sei "sehr irritierend", weil nur das Parlament Ermittlungen in solchen Fällen erlauben könne. "Das ist schlicht eine Katastrophe", meinte er.

Großruck: "Das funktioniert nicht"

Zustimmung kam vom Vorsitzenden des Immunitätsausschusses. Ermittlungen einzuleiten, ohne den Mandatar vorher auszuliefern, "das funktioniert nicht", so Großruck. Man habe dieses Vorgehen der Anklagebehörden schon häufig kritisiert, dennoch komme es immer wieder vor, kritisierte er. Gegen den "Gesetzesbruch" werde voraussichtlich der gesamte Ausschuss Protest einlegen, kündigte Großruck an.

Anders sieht das VP-Klubchef Karlheinz Kopf. Das Einleiten der Ermittlungen gegen Graf sei "verfassungskonform", stellte Kopf in einer Aussendung fest. Die Vorwürfe hätten schließlich nichts mit dessen politischer Tätigkeit zu tun.

Kritik an der "ungeheuerlichen" Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft kam vom BZÖ-Abgeordneten Gerald Grosz. Er plädierte einmal mehr für einen Unterausschuss des Justizausschusses, der die Arbeit der Anklagebehörden kontrollieren solle.

Staatsanwaltschaft sieht sich im Recht

Die Staatsanwaltschaft Wien sieht hingegen keinen Grund zur Aufregung. Ein Antrag auf Aufhebung der Immunität sei nicht erforderlich, wenn die Ermittlungen in keinem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stünden, sagte Staatsanwaltschafts-Sprecherin Nina Bussek. Daher habe man bisher auch kein Auslieferungsbegehren verfasst. Ob es im Verlauf der Erhebungen doch noch dazu kommen könnte, konnte Bussek nicht sagen.

Auch der Verfassungsrechtler Heinz Mayer bestätigt im Gespräch mit derStandard.at ein richtiges Vorgehen der Staatsanwaltschaft.

Grafs Pressesprecher Alexander Höferl bezeichnete das Vorgehen der Staatsanwaltschaft im Gespräch mit derStandard.at als "irritierend". Es sei aber offensichtlich, dass die Ermittlungen in keinem politischen Zusammenhang stünden, und es sei auch klar, dass Graf vom Parlament ausgeliefert worden wäre, falls es einen Antrag gegeben hätte. "Und das völlig zu Recht", so Höferl. Die Verfassung sieht vor, dass der Abgeordnete, gegen den ermittelt wird, eine Entscheidung des Parlaments über Aufhebung seine Immunität verlangen kann (siehe Wissen). Graf hat das laut seinem Pressesprecher allerdings nicht vor.

Prammer: "Außerberufliche Immunität soll es nicht mehr geben"

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer hat "ganz ehrlich" kein Verständnis für den Protest, denn es gebe "immer wieder" Situationen, wo sich der Ausschuss oder das Plenum beschweren würden, weil Auslieferungsanträge gestellt würden, die gar nicht nötig seien. Man arbeite derzeit aber ohnehin an einer Neuregelung der Immunität: "Außerberufliche Immunität soll es nicht mehr geben", so die Präsidentin im Ö1-Mittagsjournal, sie hofft auf eine Finalisierung im Herbst. (APA/lis, derStandard.at, 5.9.2012)