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Syrische Flüchtlinge in Camp in Jordanien.

Foto: EPA/JAMAL NASRALLAH

New York/Damaskus/Kairo/Wien - Bei der Hilfe für syrische Flüchtlinge droht den Vereinten Nationen das Geld auszugehen. Ein Spendenaufruf über 180 Millionen Dollar (144 Millionen Euro) sei nicht einmal zur Hälfte von den 193 Mitgliedsländern finanziert, sagte UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon am Dienstag (Ortszeit) vor der UNO-Vollversammlung in New York. Vor den Vertretern aller Mitgliedsländer stellte sich zugleich der neue Sondervermittler Lakhdar Brahimi vor. Der Nachfolger von Kofi Annan versprach, keine Mühe bei der Suche nach Frieden in Syrien zu scheuen.

„Das Leid der Menschen ist immens", sagte Brahimi, der von einer Katastrophe sprach. „Wir können nur etwas erreichen, wenn wir alle am selben Strang ziehen. Ich werde keine Mühe scheuen, um Frieden für das syrische Volk zu suchen." Noch in dieser Woche wolle er zu weiteren Gesprächen nach Kairo aufbrechen. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte die internationale Gemeinschaft zur Unterstützung Brahimis auf. „Enge Abstimmung und gemeinsames diplomatisches Handeln der internationalen Gemeinschaft sind Voraussetzungen für seinen Erfolg", erklärte ein Sprecher Ashtons am Mittwoch in Brüssel.

Westerwelle wirft Sicherheitsrat Versagen vor

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle warf indes dem UNO-Sicherheitsrat Versagen vor. „Nicht Europa versagt in der Syrien-Krise, sondern bedauerlicherweise immer noch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen", sagte er. „Die Verantwortung liegt bei jenen Ländern, die sich noch nicht durchgerungen haben, ihre schützenden Hände nicht mehr weiter über das Assad-Regime zu halten", präzisierte Westerwelle am Mittwoch bei einem Treffen mit seinem österreichischen Amtskollegen Michael Spindelegger (V) in Wien in Anspielung auf Russland und China, die mit ihrem Veto-Recht Maßnahmen gegen Damaskus verhinderten.

Bei ihrem Besuch in Peking konnte US-Außenministerin Hillary Clinton keine Annäherung im Streit um den Umgang mit dem Konflikt in Syrien feststellen. Die Geschichte werde zeigen, dass China in der Syrien-Frage angemessen handle, sagte der chinesische Außenminister Yang Jiechi auf einer Medienkonferenz mit Clinton. China gehe es um die Interessen des syrischen Volkes. Clinton forderte dagegen mehr Rückhalt für den UNO-Sicherheitsrat. „Es ist kein Geheimnis, dass wir enttäuscht sind von den Entscheidungen Russlands und Chinas, schärfere Sanktionen des Sicherheitsrats zu blockieren", sagte sie. Man hoffe jedoch, einen Weg nach vorn zur Beendigung der Gewalt in Syrien zu finden.

Irakisches Material für Syrien

Unterdessen herrschte Besorgnis über Flüge aus dem Iran nach Syrien. Bei einem Besuch in Bagdad kritisierten drei US-Senatoren angebliche Waffentransporte durch den irakischen Luftraum. Nach einem entsprechenden Bericht der US-Tageszeitung „The New York Times" vom Mittwoch brachten John McCain, Lindsey Graham und Joe Lieberman gegenüber dem irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki ihre „Besorgnis" zum Ausdruck. Die Zeitung hatte berichtet, iranische Flugzeuge überflögen den Irak, um die Truppen des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad mit Waffen zu versorgen.

Erdogan: Syrien ist „terroristischer Staat“

Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hat heftige Kritik an der syrischen Führung um Präsident Baschar al-Assad geübt. Syrien sei ein „terroristischer Staat“ geworden, sagte Erdogan am Mittwoch bei einer öffentlichen Rede. Erdogan machte darin die syrische Regierung für "Massenhinrichtungen" an Zivilisten verantwortlich und sagte, Assad stecke "bis zum Hals im Blut".

Auf der Veranstaltung der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP erklärte Erdogan, die Türkei könne sich nicht den Luxus erlauben, im Syrien-Konflikt gleichgültig zu sein. In der vergangenen Woche hatte Erdogan den UN-Sicherheitsrat vergeblich dazu aufgefordert, entlang der syrischen Grenze zur Türkei eine Schutzzone für Flüchtlinge einzurichten. Die Türkei beherbergt derzeit in neun Lagern über 80.000 Menschen, die vor der Gewalt in Syrien geflohen sind.

Die türkische Regierung sieht zudem einen Zusammenhang mit dem Konflikt in Syrien und Angriffen der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die PKK versucht nach Einschätzung von Ankara in jüngster Zeit verstärkt, sich in Syrien neue Stützpunkte aufzubauen.

Mursi bringt Quartett ins Spiel

Assad wurde am Mittwoch von seinem ägyptischen Amtskollegen Mohammed Mursi zum Rücktritt aufgefordert. „Es ist Zeit für einen Wechsel, denn Sie werden ohnehin nicht länger an der Macht bleiben", sagte Mursi auf einem Treffen der Arabischen Liga in Kairo. Das syrische Volk habe bereits seine Entscheidung getroffen, fügte der Präsident hinzu. „Herumtaktieren, Hinauszögern und Zeitvergeuden sind nicht angebracht."

Danach kündigte Mursi die Bildung eines Quartetts aus Saudi-Arabien, der Türkei, Ägypten und Iran an, um über die Krise in Syrien zu beraten. Wie und wo das Quartett zusammenkommen soll, blieb aber offen. Ein Regierungsvertreter sagte, die Länder würden über ihr weiteres Vorgehen beraten, die formelle Bildung des Quartetts werde aber noch diskutiert.

Unbeeindruckt von den Appellen der Weltgemeinschaft ging am Mittwoch das Blutvergießen in Syrien weiter. In der nördlichen Großstadt Aleppo wurden Dutzende Menschen durch heftigen Granat- und Raketenbeschuss getötet. Die Regimetruppen hätten seit dem Morgengrauen mit ihrer schweren Artillerie etliche Wohnviertel unter Feuer genommen, sagte der Aktivist Bassam al-Halebi der Deutschen Presse-Agentur am Telefon. „Aleppo brennt", fügte er hinzu. Nach ersten Schätzungen sollen mindestens 50 Menschen im Trommelfeuer der Regime-Geschütze ums Leben gekommen sein. Unter den Toten seien eine zwölfköpfige Familie aus dem Bezirk Al-Shaar und eine zehnköpfige Familie aus dem Bezirk Al-Marhej, sagte Al-Halebi.  (APA, 5.9.2012)