Eine Dame herausgeputzt zum Pferderennen - mit richtig viel Schmuck.

Foto: an yan

Eine alte Dame mit traditionellem Schmuck, Gebetsketten und Gebetsmühle.

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Die Ohrringe sind so schwer, dass sie mit einem eigenen Bügel über der Ohrmuschel fixiert sind.

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Eine Dame mit Perlen- und Korallenketten.

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Dame mit geflochtenen Haaren und Haarbordüre.

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Männer mit dem traditionellen Kopfschmuck von Ganzi.

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Ein Antiquitätenhändler mit einer kleinen Auswahl an Gürteln und Taschen.

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Es gibt wohl wenige andere Gegenden in Asien, in denen Menschen sich so gerne und auf so natürliche Weise mit Schmuck behängen wie in Tibet. Männer wie Frauen tragen einen großen Teil ihres materiellen Besitzes mit sich herum - in Form von riesigen Schmuckstücken.

Schmuck ist Statussymbol und äußerst wichtig; wer viel und schönen Schmuck trägt, gilt auch als schöner Mensch. Jede Familie hat eine Menge Schmuckstücke, meist aus Silber und mit Türkisen und Korallen besetzt. Diese Steine sind äußerst kostbar und werden auch oft wiederverwertet. Wenn zum Beispiel ein Ring kaputtgeht, wird der Stein rausgenommen und in einen neuen eingesetzt. Wenn man etwas Schönes kaufen will, muss man nur nach Menschentrauben vor den Geschäften Ausschau halten. Sich stundenlang Schmuckstücke anzuschauen, auszusuchen und Käufern beim Feilschen zuzusehen, ist ein beliebter Zeitvertreib für Jung und Alt.

Und wenn Tibeter sich für etwas entschieden haben, dann zahlen sie auch gerne einen himmelhohen Preis dafür - immerhin bleibt alles in der Familie und wird weitervererbt. Das Kaufen von Schmuckstücken ist eine Investition in eine gute Partie für die Kinder oder für finanzielle Notzeiten. Gerade auch in religiöse Gegenstände wie Gebetsketten, Gebetstrommeln usw. wird sehr viel Geld investiert.

Männer wie Frauen

Es gibt wohl kaum ein anderes Volk, das sich so viele Arten ausgedacht hat, wie man Schmuck auf dem Körper unterbringen kann. An allen erdenklichen Stellen finden Tibeter Gelegenheit, noch etwas hinzuhängen: Auf dem Kopf, den Haaren, Hals, Arme, Hände, Taille, Rücken, Schultern...

Wo bei uns Schmuck fast eine reine Frauensache ist, gibt es in Tibet kaum Unterscheidungen zwischen den Geschlechtern: Männer wie Frauen tragen gleichermaßen sehr gerne viele Ketten, Anhänger und Ringe. Nur der Stil und die Materialien sind anders. Und wenn nicht genug Kapital da ist, werden zuerst die Frauen und danach erst die Männer der Familie ausgestattet.

Frauen tragen am liebsten Korallenketten - je größer und schwerer desto besser. In bestimmten Regionen, in denen sich die Frauen die Haare in kleine Zöpfe flechten, werden auch Edelsteine in die Haare geflochten und Kappen aus Silber oder Gold mit Edelsteinbesatz aufgesetzt. Oft werden die unteren Enden der Zöpfe noch einmal in eine schwere, mit Edelsteinen besetzte Borte eingeflochten, die dann an den Haarspitzen hängt.

Traditionell geprägte Männer tragen langes Haar und fädeln rote Schnüre und große Ringe aus Horn (die "Armenversion"), Elfenbein, Silber oder Gold hinein. Beide Geschlechter tragen wunderschön gearbeitete mit allen erdenklichen Materialien besetzte Gürtel mit diversen Messern und Anhängern.

Von der Mutter an den Sohn

Sehr schön sind auch die Traditionen, die an das Tragen und weitergeben der Schmuckstücke gebunden sind. Eines Tages fiel mir auf, dass einige Männer in einer Runde jeweils einen riesigen Goldring trugen, andere gar keine Ringe. Auf mein Nachfragen wurde mir gesagt, die Männer ohne Ringe seien eben schon verheiratet. Aber bekommt man dann nicht einen Ring, wenn man heiratet? Ja natürlich, aber es ist die Frau, die ihn bekommt! Wenn ein Mann eine feste Freundin hat, schenkt er ihr seinen schönsten Ring. Diese trägt ihn dann und schenkt ihn später ihrem Sohn, der ihn dann wieder seiner Freundin schenkt. Deswegen haben die Ringe häufig innen Umwicklungen aus Stoff, um die Größe an verschiedene Finger anpassen zu können.

Wie viel hat's gekostet?

Schmuck gilt als Statussymbol und ist heiß begehrt - somit ist der Preis ein wichtiger Faktor nicht nur beim Einkaufen, sondern auch beim Tragen. Immer wenn ich jemanden kennenlernte, wurden innerhalb der ersten Momente meine Armreifen und Ringe begutachtet und man fragte mich ausführlich und mit großem Interesse nach Herkunft und Preis. Da ich meine Schmuckstücke aus vielen Ländern über viele Jahre zusammengesammelt habe, war ich anfangs total ratlos, was ich antworten sollte. Die Herkunft wusste ich immer, doch der Preis...? "Keine Ahnung, ein paar hundert Rupien?"

Diese Auskunft befriedigte niemanden und die Umrechnungen der Währungen überstiegen die mathematischen Fähigkeiten der Anwesenden. Also fragte ich einfach mehrere Leute, wie viel sie glauben, dass das betreffende Stück wert sei, und nannte fortan diesen Preis. Die Reaktionen auf die unterschiedliche Herkunft der Juwelen waren überraschend: Alle gingen davon aus, dass ich nur nach Indien gefahren sei, um dieses Armband zu kaufen. Eine tausende Kilometer lange Reise, um ein Stück schönen Silbers zu kaufen, ist vollkommen gerechtfertigt. Und nach Indien wollen alle Tibeter, die ich treffe, sowieso: Dort ist schließlich der Dalai Lama, das ist bekannt. (An Yan, 4.9.2012, daStandard.at)