Antisemitismus von Paok-Fans während eines Spiels der Mannschaft vergangenen Winter in Griechenland.

Foto: Forum für Antisemitismus

"Banker"-Karikatur auf Straches Facebook-Seite.

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Wien - Nach der öffentlichen antisemitischen Beschimpfung eines Wiener Rabbiners am vergangenen Donnerstag am Schwedenplatz gab es nach tagelangem Schweigen am Dienstag doch Reaktionen. Der Rabbiner war von Fußballfans der Mannschaft Paok Saloniki beschimpft worden, bevor einer der Männer mit "Heil Hitler!" und ausgestrecktem Arm gegrüßt habe. Zusätzlich verstörend daran: Anwesende Polizisten sollen passiv zugesehen haben.

Zunächst hatte nur der Grüne Karl Öllinger, der eine parlamentarische Anfrage zum Verhalten der Polizisten vorbereitet, Kritik geübt. Am Dienstag verurteilte Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) den Vorfall bei einer Pressekonferenz und betonte: "Natürlich ist das ein Thema in Gesprächen mit der Polizei, genauso wie mit den beiden großen Fußballklubs."

Der Sicherheitssprecher der Wiener ÖVP, Wolfgang Ulm, reagierte erst auf STANDARD-Nachfrage: "Die Sache kann man nicht auf sich beruhen lassen, man muss sie aufklären, allenfalls muss ein disziplinarrechtliches oder strafrechtliches Verfahren gegen die Beamten eingeleitet werden". Bei der Polizei ist man aber noch damit beschäftigt, die Identität der Beamten zu eruieren.

Auch der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich zeigte sich in einer Aussendung am Dienstag "zutiefst verstört und betroffen".

Hohe Dunkelziffer

Laut Forum gegen Antisemitismus, einer Einrichtung der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), die seit 2000 Berichte über judenfeindliche Beschimpfungen und Übergriffe in Österreich sammelt, nahmen diese nach einem Höhepunkt 2009 mit 200 Meldungen kontinuierlich ab. 2011 gab es 57 Fälle. Doch Oliver Klein, Leiter des Forums, gibt zu bedenken, "dass es in manchen Bereichen eine wohl zehnmal so hohe Dunkelziffer gibt". Vor allem orthodoxe, also durch ihre Kleidung erkennbare, Juden berichten über häufige Beschimpfungen: "Das erfahren wir aber oft nur auf Rückfrage, weil es so oft passiert, dass sie es von selbst nicht erwähnen."

Auch zu einem anderen Fall von Antisemitismus herrschte lange Schweigen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat vor rund zwei Wochen auf seiner Facebook-Seite die Darstellung einer Karikatur eines US-Bankers in einer veränderten Version online gestellt: Der Mann bekam eine Hakennase sowie Davidsterne auf seine Manschettenknöpfe, auch seine Pupillen wurden verändert.

"Das soll der zu NS-Zeiten im Stürmer beschriebene stechende Blick der Juden sein", vermutet Öllinger. Beide Versionen des Comics waren am Dienstag weiter online. Sie wurden fast 600-mal geteilt und werden täglich mit antisemitischen Postings von Strache-Fans goutiert.

"Noch immer ein bisschen im Sommer"

Nach Anzeigen des Anwalts Georg Zanger und der IKG kündigte die Staatsanwaltschaft an, diese Woche zu entscheiden, ob Ermittlungen gegen Strache eingeleitet werden. "Es gibt aber keinen Auslieferungsantrag für Strache im Parlament", weiß Öllinger.

Vom STANDARD damit konfrontiert, dass die Karikaturen weiter online sind, sagt SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim in Richtung Strache: "Es reicht! Üblicherweise muss man das mit einem Rücktritt quittieren. Jeder, der nicht komplett deppert ist, erkennt den Antisemitismus in dem Bild." Warum die SPÖ bisher schwieg, erklärt Jarolim damit, dass man "noch immer ein bisschen im Sommer war, und unsere Kommunikation war noch nicht so ganz hochgefahren". (Irene Brickner/Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 5.9.2012)