Standard: Sie heißen Josef, werden aber nur Pepo genannt, scheinen auch als Pepo in den Ergebnislisten auf. Ist das nicht eine zumindest ungewöhnliche Schreibweise?
Puch: Da, wo ich herkomme, in Oberzeiring, hat es zu viele Josefs oder Seppen in der Schule gegeben. Auf Josef hör ich gar nicht.
Standard: Ihre Stute, Fine Feeling, hört auf Musik, beim Goldritt auf Strauß-Melodien. Dieser Ritt hat auch für einen Laien gut ausgesehen. War Ihnen gleich klar, dass das eine Medaille werden könnte?
Puch: Zunächst ist in der Reiterei zumeist gut, was gefällt. Es ist eine Frage der Ästhetik. Und ja, ich habe gleich gespürt, dass das ein guter Ritt wird. Fine Feeling liebt die Musik, und sie hat getanzt. Ich war nur mehr Passagier.
Standard: Sie waren Vielseitigkeitsreiter, sind nach einem Reitunfall seit fast genau vier Jahren inkomplett querschnittgelähmt. Hatten Sie Angst davor, nach dem Unfall wieder zu reiten?
Puch: Nein, weil es nicht am Pferd lag, sondern durch ein technisches Gebrechen passierte. Ich habe mich immer bemüht, unseren Sport sicherer zu machen, war sogar Sicherheitsbeauftragter des Weltverbandes. Also habe ich bei einem Turnier in Scheneberg, Hamburg, eine Airbag-Weste getragen. Die ist durch einen Materialfehler explodiert, das Pferd hat gescheut, ich bin runtergefallen, konnte wegen der Weste nicht abrollen. Heute wird die Weste, ein verbessertes Modell, viel verwendet. Ich war halt der Dummy.
Standard: Sie verwenden oft die Wendung, dass machbar ist, was denkbar ist. War das der Leitsatz Ihrer Rehabilitation?
Puch: Sicher, aber das hat für mich schon viel früher gegolten. Durch unser Dorf sind oft Lkws der Firma Funder gefahren, auf denen ist dieser Satz gestanden. Ich habe als Rauchfangkehrer Betriebe in Judenburg und Korneuburg, ich habe eine Tochter, habe eine Frau, die aus einer Reiterfamilie kommt. Mein Schwiegervater ist ein echter Horseman, Alfred Schwarzenbach, der für die Schweiz bei Olympischen Spielen geritten ist. Und ich bin selber Reiter, bin die größten Turniere geritten. Nach meinem Unfall galt besonders: "Was denkbar ist, ist machbar."
Standard: Warum besonders?
Puch: Meine Behinderung ist mit der von Samuel Koch vergleichbar, der bei Wetten, dass ...? verunglückt ist. Meine Leitungen waren gekappt. Ich gehe aber mit Stock, obwohl ich meine Beine nicht fühle, wie bei einem Hendl, dem man den Kopf abgeschlagen hat. Ich denke gehen. Ich bin aber gleich nach meinem Unfall großartig versorgt worden. Schon am Tag danach wurde daran gearbeitet, dass meine Muskeln nicht verkümmern. Nach ein paar Wochen konnte ich dann einen großen Zeh bewegen, nach vier Monaten konnte ich mir mit der Hand ins Gesicht greifen.
Standard: Sind Sie nie in ein mentales Loch gefallen, einfach verzweifelt gewesen?
Puch: Ich hatte eine hervorragende Mentalarbeit in Zürich. Ich lag in einem Zimmer zusammen mit einem verunglückten Paraglider, einem Mann, dem bei einem Autounfall ein Wildschwein durch die Windschutzscheibe gekommen ist, und einem Radfahrer, den ein rückwärts aus der Garage schiebender Lkw erwischt hat. Wir waren eine starke Truppe. Und dann hatte ich ein eineinhalbjähriges Kind, das ich am Anfang nur anschauen konnte.
Standard: War das Kind Ihre größte Motivation?
Puch: Man hat mir geraten, dass ich mir doch einen von den kommoden Rollstühlen zulegen soll. Aber das wollte ich nicht. Ich wollte nicht, dass meine Tochter dieses Bild mitbekommt: ich, im Rollstuhl sitzend, unter dem Christbaum. Ich wollte aufrecht beim Christbaum stehen. Das ist mir dann auch gelungen. Auch wenn ich zuerst wie so ein Bauarbeiterdreibein ausgesehen habe, wie einer, der auf seiner Schaufel lehnt.
Standard: Sie haben nach Ihrer Goldenen den englischen Favoriten Lee Pearson, der nur Dritter wurde, besonders gelobt, ihn als unerreichbares Vorbild bezeichnet. Hatten Sie sich da nicht schon zuvor selbst widerlegt?
Puch: Lee war sehr enttäuscht, dass er nicht gewonnen hat. Aber er hat natürlich gratuliert. Er ist eine Ikone, hat schon neun Goldmedaillen. Er ist ein Vorbild darin, wie man eine schwere Behinderung beim Reiten kompensieren kann. Er sieht auf dem Pferd wie ein Nichtbehinderter aus, kann auf das Pferd perfekt einwirken. Gerade hier war sein Druck besonders groß, er ist ein Aushängeschild der Londoner Paralympics. Man ist eben ewig auf der Suche nach mentaler Stärke.
Standard: In dieser Beziehung waren Sie zuletzt besonders gefordert.
Puch: Meine Schwiegermutter ist gestorben. Ich habe es unmittelbar nach meiner Bronzemedaille am Freitag erfahren - einmal oben, dann wieder ganz unten. Sie war sehr wichtig für die Familie. Ich habe die ganze Zeit nachgedacht, einen Plan gemacht. Weil - ich bin ja eigentlich ein untalentierter Reiter. Das Pferd ist viel wichtiger. Und ich durfte es nicht spüren lassen, dass mit mir nicht alles in Ordnung ist. Ich kann es ja nur durch meine Stimme und meine Balance lenken.
Standard: Was sind Ihre weiteren Pläne nach diesem Erfolg?
Puch: Jetzt möchte ich einmal nach Hause. Meine Frau und meine Tochter sind ja gleich abgereist. Meine Tochter kommt jetzt in die Schule. Ich möchte ihr das Einmaleins beibringen. (Sigi Lützow, DER STANDARD, 5.9. 2012)