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Der beschimpfte Wiener Rabbiner hatte in einem schriftlichen Protokoll geschildert, dass die Polizei nach dem Vorfall nicht eingeschritten wäre.

Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Nach dem Vorfall am Schwedenplatz, bei dem ein Rabbiner am vergangenen Donnerstag nach eigenen Angaben von einem Fußballfan antisemitisch beschimpft wurde, haben der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) und die Initiative muslimischer Österreicher (IMÖ) ihre Solidarität mit dem Betroffenen bekundet. "Zutiefst verstört und betroffen" zeigte sich der ÖRKÖ am Dienstag in einer Aussendung. Die IMÖ erklärte, man verurteile die "antisemitischen Ausfälle (...) aufs Schärfste".

Der Wiener Rabbiner hatte in einem schriftlichen Protokoll geschildert, dass die Polizei nach dem Vorfall nicht eingeschritten wäre, obwohl Beamte nur wenige Meter vom Ort des Geschehens entfernt gewesen und von dem Geistlichen auch aufgefordert worden wären, etwas zu unternehmen. Die ÖRKÖ betonte, "für die gläubigen Christen" sei "jede Form des Antisemitismus" ein "Verrat des Glaubens an Gott". In Österreich dürfe es "keinen Platz für Antisemitismus" geben. "Man kann nicht Christ sein, wenn man die Wurzeln des Evangeliums im Bund Gottes mit dem jüdischen Volk leugnet", erklärte der Ökumenische Rat.

"Erschreckende Signale"

Die beiden jüngsten Ereignisse - die Angriffe auf den Rabbiner und "die Veröffentlichung einer antijüdischen Karikatur im Stil der nationalsozialistischen Propaganda auf der Facebook-Seite eines österreichischen Politikers" - seien "erschreckende Signale, dass dem Antisemitismus wieder Tür und Tor geöffnet wird", so der ÖRKÖ. "Die entscheidende Erkenntnis aus den grausamen Verirrungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts besteht darin, dass alle Menschen gleiche Würde haben und gleichen Respekt verdienen. Wenn das jetzt wieder - noch dazu von Exekutivbeamten, wie am Schwedenplatz geschehen - beiseite geschoben wird, lässt das alle Alarmglocken läuten. In Österreich muss endgültig Schluss mit allen Nachwehen der absurden Vorstellungen des Antisemitismus sein", hieß es in der Aussendung des Rates.

"Die Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen verurteilt die antisemitischen Ausfälle am 31. August 2012 (...) aufs Schärfste", so die IMÖ. "Gleichzeitig versichern wir unsere vollste Solidarität. Mit großer Betroffenheit betrachten wir zudem die Untätigkeit der österreichischen Polizeibeamten vor Ort. Ein solches Verhalten ist nicht hinnehmbar und wir fordern Aufklärung seitens der Polizeiführung und der politischen Verantwortlichen." Opfer rassistischer Beleidigungen und Angriffe hätten "das Recht von der Exekutive ernst genommen, respektvoll behandelt und geschützt zu werden", hieß es. "Dieses traurige Beispiel zeigt, dass es noch viel zu tun gibt - gegen Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit."

Reaktionen aus der Politik

Auch der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) verurteilt den Vorfall. Er will ihn  nun gegenüber der Exekutive ansprechen: "Natürlich ist das ein Thema in Gesprächen mit der Polizei, genauso wie mit den beiden großen Fußballklubs", sagte Häupl in einer Pressekonferenz am Dienstag.

"Antisemitische Vorfälle sind auf das Schwerste zu verurteilen, egal, wo sie stattfinden. Ob das am Sportplatz ist, ob das am Schwedenplatz ist oder an einem anderen Platz", erklärte der Bürgermeister. Zu seinem Bedauern, so betonte er, habe es sich nicht um ein solitäres Ereignis gehandelt.

Aus seiner Sicht sei ein solcher Vorfall genauso zu ahnden wie die Verwendung von pyrotechnischen Mitteln. Laut Häupl wird das Geschehen nun auch innerhalb der Exekutive geprüft: "So weit ich weiß, wird es eine innerpolizeiliche Untersuchung geben."

"Die Wiener Polizei muss rassistische und antisemitische Entwicklungen in ihren eigenen Reihen ernst nehmen", forderte auch der Integrationssprecher der Wiener Grünen, Senol Akkilic. Man verurteile das Wegschauen der Polizei angesichts der "wüsten Beschimpfung" durch einen offensichtlichen Neonazi. Die Wiener Polizei sei anscheinend zu wenig sensibilisiert, vermutete Akkilic.

Solidarität mit Rabbiner in Deutschland

In Deutschland hat indessen ein tätlicher Angriff auf einen Rabbiner für Entsetzen gesorgt. Am Wochenende haben in Berlin mehr als tausend Menschen ihre Solidarität mit dem bei einem brutalen Angriff verletzten Geistlichen bekundet. Am Sonntag nahm Rabbi Daniel Alter selbst an einer Demonstration gegen Antisemitismus und Gewalt in der Nähe des Tatorts teil.

"Ich habe das Jochbein gebrochen bekommen. Aber meinen Willen, mich für interreligiösen Dialog einzusetzen, haben diese Typen nicht gebrochen", sagte der 53-Jährige zum Abschluss der Veranstaltung. Bereits am Samstag hatten rund 150 Menschen in Charlottenburg mit einer spontanen Demonstration gegen Antisemitismus protestiert.

Alter war vergangenen Dienstag im gutbürgerlichen Stadtteil Friedenau vor den Augen seiner Tochter von vier - nach Polizeiangaben vermutlich arabischstämmigen - Jugendlichen zusammengeschlagen worden. Er trug ein Kippa, die traditionelle jüdische Kopfbedeckung. Dem siebenjährigen Mädchen drohten die Täter mit dem Tod. (APA/red, 4.9.2012)