Wien - Die Anlageaffäre um die frühere Immobilienholding Meinl European Land (MEL) schlägt nun auch auf ihre Nachfolgegesellschaft Atrium European Real Estate (Aere) mit Sitz auf Jersey durch. Wie die "Wiener Zeitung" berichtet, hat das Handelsgericht einem deutschen MEL-Investor (Wolfgang A.) einen Schadenersatz in Höhe von 84.900 Euro plus vier Prozent Zinsen zugesprochen. Indes ist der Anleger gegen die Zweitbeklagte, die Meinl Bank, mit seiner Klage in erster Instanz abgeblitzt, da er die MEL-Zertifikate nicht über die Privatbank gekauft hatte.

"In irreführender Weise"

"Wolfgang A. kann sich gegenüber Atrium zu Recht darauf berufen, dass er durch falsche bzw. in irreführender Weise unvollständige Ad-hoc-Mitteilungen zu Käufen von MEL-Zertifikaten veranlasst und vom rechtzeitigen Verkauf abgehalten wurde", heißt es im Urteil (Aktenzahl 55 Cg 203/11f). Das Urteil hat Anwalt Ulrich Salburg im Namen des Prozessfinanzierers AdvoFin erstritten. "Unsere Mandantin wird gegen das Urteil berufen", bestätigt Atrium-Anwältin Daniela Karollus-Bruner von der Kanzlei CMS Reich-Rohrwig der Zeitung.

Jersey-Sitz schützt nicht

Atrium hatte sich gegen den Zivilprozess in Wien mit dem Argument gewehrt, man sei eine Gesellschaft mit Sitz in Jersey, Kanalinseln, habe keine Betriebsstätte in Österreich und daher sei das Handelsgericht nicht zuständig. 

Richter Heinz-Ludwig Majer, der Wolfgang A. überdurchschnittliche Wertpapier-Kenntnisse bescheinigte, sah das anders. Atrium sei eine sogenannte "materielle Streitgenossin" der inländischen Meinl Bank. Das HG Wien sei für die Klage gegen Atrium örtlich und sachlich zuständig. Denn der Kläger hatte vorgebracht, Meinl Bank und Atrium hätten durch gemeinschaftliches Handeln, sprich durch die Verletzung der Publizitätsvorschriften für das von ihm erworbene Finanzprodukt, den Schaden zu verantworten.

Der Anleger, ein Bankkaufmann, hatte von Jänner 2006 bis April 2009 insgesamt 142.450 Euro in 9.875 MEL-Zertifikate investiert, aus deren Verkauf schließlich nur noch 48.600 Euro lukriert. Es war ihm klar, dass bei Aktien grundsätzlich das Risiko eines Totalverlustes besteht. Sein Geld hatte er vor allem in Unternehmensanleihen gesteckt, aber er wollte auch von Immobilienanlagen in Osteuropa profitieren.

Frage des Zeitpunktes

So stieß er laut Urteil im Internet auf die MEL-Verkaufsprospekte der Meinl Bank und ihrer Tochter Meinl Success Finance. Der aktive Anleger, der sein Veranlagungsportfolio nach Bedarf auch umschichtete und Viel-Trader-Rabatte nutzte, studierte die Verkaufsprospekte über die "MEL-Aktien" und las die verschiedenen Ad-hoc-Meldungen. Diese stellten sich im Nachhinein zum Teil "als geeignet dafür heraus, Täuschungen hervor zu rufen", wie der Oberste Gerichtshof (OGH) feststellte. So kam neben den umstrittenen Rückkäufen, die erst nach deren Abschluss bekannt wurden, auch ans Tageslicht, dass die erste Kapitalerhöhung (774 Mio. Euro) im November 2006 " entgegen den offiziellen Angaben" doch nicht voll platziert worden war.

Die Meinl Bank bestritt die Kursmanipulation und erklärte den Kurseinbruch bei MEL mit Turbozertifikaten anderer Marktteilnehmer. Indes entgegnete Atrium den Vorwürfen: "Es habe keine Marktmanipulation ab Juli 2005 stattgefunden, wenn überhaupt, habe sie erst ab März 2006 stattgefunden, als der Anleger bereits Wertpapiere der Atrium besessen habe." (APA, 4.9.2012)