Die Beschäftigung steigt mit zunehmenden Teilzeitstellen. Zugleich wächst in Österreich im Jahresvergleich aber auch die Arbeitslosigkeit. Die Verlierer sind Ältere, Ausländer und Leiharbeitskräfte. Ihre Chancen auf neue Jobs sinken.
Wien - Ältere und gesundheitlich beeinträchtigte Österreicher, Ausländer und Leihkräfte bekommen Krisen als erste zu spüren. Und die flaue Konjunktur drängt sie auch heuer zunehmend ins Abseits. Die Arbeitslosigkeit unter Älteren zog im August im Jahresvergleich um fast elf Prozent an. Zuwächse von mehr als elf Prozent gab es bei den Zeitarbeitern, mehr als 13 Prozent bei Ausländern. Die Chancen auf neue Jobs sind vor allem für Langzeitarbeitslose dramatisch gesunken: Ihre Zahl schoss vergangenen Monat um 21 Prozent nach oben.
Unterm Strich steigt Österreich mit einer Arbeitslosenquote von 6,2 Prozent dennoch gut aus. EU-weit liegt sie im Schnitt bei mehr als zehn Prozent, einzelne Länder verbuchen mittlerweile doppelt so hohe Quoten. Auch die Beschäftigung ist in Österreich nach einem Rekordniveau im Juli weiter deutlich gestiegen. Grund dafür sei jedoch vor allem die verstärkte Aufsplitterung von Arbeit in Teilzeitjobs, sagt Josef Wallner, Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt in der Ar- beiterkammer, dem Standard.
Die neuen Stellen - vor allem in Industrie, Bau, Handel und Tourismus - reichen nicht aus, um die steigende Arbeitslosigkeit wettzumachen. Nur ein kleiner Teil wird aus dem Pool der Arbeitslosen besetzt. Was die Beschäftigungsquote der älteren Arbeitnehmer anbelangt, rangiert Österreich in Europa weiterhin am untersten Ende.
Zum einen nimmt die Zahl der Älteren stetig zu. Denn die ersten der Generation der Babyboomer nähern sich der Pension an, deren Zugänge erschwert werden. Zum anderen sind viele Betriebe auf den demografischen Wandel nicht vorbereitet. Und erst mit 55 mit Weiterbildung zu beginnen, sei zu spät, sagt Helmut Mahringer vom Wirtschaftsforschungsinstitut.
Zwar sei das Risiko, wider Willen mit Golden Handshakes in die Frühpension abgeschoben zu werden, gesunken. Doch wer arbeitslos ist und älter, hat enorme Probleme, ergänzt Wallner. Aus seiner Sicht fehlen dem AMS die Instrumente, um Betagtere oder gesundheitlich Beeinträchtigte wieder fit für den Arbeitsmarkt zu machen.
Österreich zähle zu den besten drei in der EU, was die real geleistete Arbeitszeit betreffe. Die Kehrseite der etlichen Überstunden sei der hohe Verschleiß: Die Österreicher hätten ab einem gewissen Alter statistisch deutlich weniger gesunde Jahre als andere Nationen.
Falsches Profil
Insgesamt waren im August gut 289.200 Personen ohne Jobs, um 5,8 Prozent mehr als vor einem Jahr. Dass zugleich viele Unternehmer händeringend nach Fachkräften suchen, ist per se kein Widerspruch. Das Profil der offenen Jobs passe eben oft nicht zur Qualifikation der Arbeitssuchenden, sagt Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien. Einem schlecht ausgebildeten Waldviertler etwa nutze es wenig, wenn ein Vorarlberger Textilspezialisten brauche.
46 Prozent der Arbeitslosen seien schwach qualifiziert, fügt Mahringer hinzu. Zugleich stelle der Strukturwandel hin zu Dienstleistungen und neuen Produkten höhere Anforderungen an Mitarbeiter. "Sich daran anzupassen, geht nicht von heute auf morgen."
Für Wallner ist die Personalnot einzelner Unternehmen hingegen "künstlich erzeugt und kein Massenphänomen". Laufende Kostenoptimierung führe dazu, dass nur die allernötigste Kernmannschaft gehalten und der Rest ausgelagert werde. Es fehle ein Sicherheitspolster an qualifizierten Leuten.
Einigkeit herrscht darüber, dass die Arbeitsmarktsituation aufgrund der zähen Wirtschaftsentwicklung auch in den kommenden Jahren gedämpft bleibt. Die Forderung des AMS, darauf in der Industrie mit verkürzter Arbeitszeit zu reagieren, stößt dort auf Ablehnung. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 4.9..2012)