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Kritiker werfen François Hollande vor, den wirtschaftlichen Niedergang Frankreichs nicht aufhalten zu können.

Foto: REUTERS/Remo Casilli

Man dürfe Symbole nicht überbewerten, meint Arbeitsminister Michel Sapin. Doch immerhin hält er die symbolische Zahl für bedeutsam genug, um sie schon vor der offiziellen Bekanntgabe zu verkünden: Frankreich hat mehr als drei Millionen Arbeitslose - womit zugleich die Schwelle von zehn Prozent überschritten ist.

Sapin versucht zu entdramatisieren: Mit 10,3 Prozent Jobsuchenden liege Frankreich im europäischen Schnitt; auch überrasche die Nachricht niemanden. Unerwartet ist allerdings der rasante Anstieg der Kurve in den vergangenen Monaten: Hinweis auf eine sich rapid verschlechterte Konjunktur an der Grenze zur Rezession. Für dieses Jahr rechnen die Wirtschaftsinstitute mit einem Wachstum von bloß 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und von 0,5 Prozent für 2013. Die Regierung in Paris wird ihre Schätzung von 1,5 Prozent also bald revidieren müssen.

Das kleinere Wirtschaftswachstum zwingt Präsident François Hollande dazu, die Staatsausgaben stärker als geplant zu kürzen oder die Steuern massiv zu erhöhen. Nur so könnte er das - nicht zuletzt auch Deutschland gegebene - Wahlversprechen einhalten, das Budgetdefizit 2013 auf drei Prozent des BIPs zu drücken.

Ende September wird die Regierung also ein unpopuläres Budget vorlegen müssen. Die Franzosen schicken Hollande schon jetzt in den Umfragen auf Talfahrt: Weniger als die Hälfte der Befragten stehen noch auf der Seite des 58-jährigen, anfänglich so gelobten Staatsschefs.

Einbruch unterschätzt

Jetzt müssen seine Minister zugeben, den Wirtschaftseinbruch "unterschätzt" zu haben. Hollande will nun "Gas geben", um die Abwärtsspirale zu stoppen. Das führt im Internet zu hämischen Fragen, ob der "normale" Präsident nun auch schon unter "Sarkozysmus" leide, nachdem er sich zunächst noch so sehr von seinem Vorgänger abgegrenzt hatte.

Auf jeden Fall wird die Herbstsession des Parlaments vorgezogen, um so möglichst schnell die Schaffung von 150.000 Jobs für junge Menschen in der Verwaltung zu ermöglichen. Weitere Bildungs- und Jobprojekte sollen ebenfalls im "Eilverfahren" verabschiedet werden. Die Gewerkschaft CGT fordert aber weitergehende Eingriffe, wie etwa das Verbot von Entlassungen aus Rentabilitätsgründen. Für den 9. Oktober ruft sie daher zu einem Aktionstag auf.

Lohnkosten

Die Opposition wirft Hollande wiederum vor, die staatliche Jobsubventionierung laufe auf eine nicht nachhaltige Wirtschaftsförderung hinaus, für die überdies das Geld fehle. Nötig seien Strukturmaßnahmen, um den Arbeitsmarkt flexibler zu machen. Nur so könnten französische Produkte wieder wettbewerbsfähig werden.

Industrieminister Arnaud Montebourg macht indes nicht die Lohnkosten, sondern die mangelnde Innovationsleistung der französischen Industrie dafür verantwortlich, dass sie seit 2000 über 700.000 Arbeitsplätze verloren hat. Er will deshalb im Schnellverfahren eine "öffentliche Investitionsbank" (BPI) schaffen, die Klein- und Mittelunternehmen zu Krediten verhelfen und damit Forschung und Entwicklung fördern soll.

Vorläufig aber stapeln sich noch die Sozialpläne in vielen Firmen: Allein PSA Peugeot Citroën streicht 8000 Stellen, der Chemiekonzern Sanofi 2500. Am Montag wurde ein weiterer Einbruch der Autoverkäufe um 11,4 Prozent im August bekannt. (Stefan Brändle, DER STANDARD, 4.9.2012)