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Kein Vertrauen der deutschen Politik in die Europäische Zentralbank? Finanzminister Wolfgang Schäuble mit dem deutschen Bundesbank-Chef Jens Weidmann. Schäuble warnte am Montag erneut davor, die Probleme der Eurozone durch Gelddrucken zu lösen.

Foto: Reuters/Fabrizio Bensch

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble legt sich gegen eine einheitliche Bankenaufsicht in Europa quer und fordert Ausnahmen für kleinere Institute. Experten sind uneins über seinen Vorstoß.

 

Berlin/Wien - Noch bevor die EU-Kommission ihre detaillierten Vorschläge für die Schaffung einer europäischen Bankenunion vorlegen konnte, wackelt das Projekt bereits. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble meldete am Montag im Deutschlandfunk massive Bedenken gegen die Brüsseler Pläne an. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier will ja bis Anfang 2013 alle systemrelevanten Banken der Eurozone unter die Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) stellen. Ab 2014 soll die EZB dann alle rund 6000 Institute überwachen. Eine Forderung, die EU-Währungskommissar Olli Rehn stützt.

Schäuble forderte Barnier nun auf, seine Pläne zu überdenken. Statt der Aufsicht über alle Institute solle die EZB nur jene über systemrelevante Banken ausüben. Für alles andere fehlten ihr auf absehbare Zeit die Kapazitäten.

Schäubles Worte sind ein herber Rückschlag für die Kommission. Ohne Zustimmung Berlins lässt sich die europaweite Bankenaufsicht nicht verwirklichen. Dabei hat die deutsche Regierung dem Projekt auf einem EU-Gipfel Ende Juni noch grundsätzlich zugestimmt. Woher kommt also der Sinneswandel?

Der deutsche Bankenexperte Hans-Peter Burghof ortet einen starken politischen Gegenwind für das Projekt. Obwohl die EU zunächst nur die Bankenaufsicht zentralisieren will, könnte eine europaweite Einlagensicherung am Ende des Prozesses stehen. "Das wird von vielen Deutschen als zu gefährlich abgelehnt", meint Burghof. In der Bundesregierung wachse zudem die generelle Skepsis gegen die EZB: "Die Zentralbank will erneut hunderte Milliarden Euro zur Stützung Spaniens und Italiens ausgeben. Sie läuft Amok. In dieser Situation will man ihr nicht unbedingt noch mehr Kompetenzen geben."

Neben politischen Überlegungen dürften vor allem die Ängste der deutschen Sparkassen mit ihren rund 50 Millionen Kunden Berlin zum Kurswechsel bewegt haben. Die Sparkassen machen seit Wochen mobil gegen die zentrale Bankenaufsicht. Eine einheitliche Aufsicht über alle Institute würde zur Benachteiligung des zersplitterten Sparkassensektors führen, so das Argument.

Experten beurteilen die Sorgen der Branche unterschiedlich: Für Burghof sind die Ängste der Kassen nachvollziehbar. "In der EZB herrscht eine klar angelsächsische Denkweise: Für alle Banken, ob groß oder klein, sollen die gleichen Regeln gelten. Wenn Sparkassen dieselben Auflagen wie Großbanken erfüllen müssen, wären sie finanziell überlastet." Für eine Gleichbehandlung sieht er keinen Grund. Im Gegensatz zu Großbanken wie der Commerzbank seien Sparkassen in ihrem regional verwurzelten Kreditgeschäft vorsichtiger, "weshalb sie den Staat bisher auch nichts gekostet haben".

Anders argumentiert der Berliner Finanzwissenschafter Jan Hagen: Gerade Spanien, wo kleinere Sparkassen reihenweise aufgefangen werden mussten, zeige, dass auch kleine Institute gefährlich werden können. "Sinn macht daher nur eine europaweiteinheitliche Lösung." Sollte Deutschland auf Ausnahmen bestehen, könnte sich die Umsetzung der Bankenunion stark in die Länge ziehen.  (András Szigetvari, DER STANDARD, 4.9.2012)