Ein Glas Weinviertel DAC - also einen Grünen Veltliner - genießen.

Foto: Weinkomitee/Peter Just

Jetzt ist es so weit: Das Wort "Liberalisierung" hat die Weingärten erreicht. Geht es nach der EU, sollen die Länder frei entscheiden dürfen, wie viel Wein sie anbauen. Das gefällt wiederum so manchem Produzenten regionaler Spezialitäten nicht. Die Rieslingmacher in Österreich und Deutschland fürchten starke EU-weite Flächenausweitungen. Sie wollen möglichst unter sich bleiben, fürchten Preisverfall und Qualitätsverlust. Und auch der Grüne Veltliner wird Thema. Wird er nämlich in anderen Ländern in großem Stil angebaut - und das könnte durch die EU-Liberalisierung der Fall sein - ist das heimische Alleinstellungsmerkmal bedroht.

Zufrieden im Jetzt

Keine Region ist so mit dem Riesling verbunden wie die Wachau. Dem Weltkulturerbe an der Donau droht nun aber Ungemach, "Wenn das kommt, darf in Hinkunft jeder an jedem beliebigen Ort Wein anbauen", tat Weinbaupräsident Josef Pleil im "Niederösterreichischen Wirtschaftspressedienst" kund. Schuld daran seien die Pläne der EU-Kommission, die Anbaubegrenzung für Wein aufzuheben. Diese wurde Mitte der 1970er Jahre eingeführt, um die notorische Überproduktion in Europa abzubauen. Mit der Qualität sind dadurch auch die Preise gestiegen. Nun liebäugeln die Beamten in Brüssel aber mit einem freien Markt. Ihr Kalkül: Wenn Riesling oder auch Grüner Veltliner den Europäern schmecken, dann sollen sie auch überall angebaut werden können. Und das geht vielfach nur, wenn die Menge der angebauten Hektar Wein in Europa nicht mehr kontrolliert wird.

Prinzipiell ist das Wandern der Weinsorten üblich. So stammt die heute auch in Österreich angepflanzte Rotweinsorte Cabernet Sauvignon aus Frankreich. So wie der St. Laurent, der mittlerweile großteils hierzulande angebaut wird, aber in seiner ursprünglichen Heimat kaum mehr vertreten ist.

Weinbauschule für Liberalisierung

Dem Vernehmen nach sind Neo-Weinanbauländer wie Großbritannien, aber auch große Wein- und Sektkellereien für das regelfreie Anbauen von Wein. Sie versprechen sich davon, durch kostenärmeres Bewirtschaften Prestigesorten wie den Riesling günstig im Supermarkt anbieten zu können oder das Preisniveau für Schaumweine günstig zu halten.

Rückenwind bekommt die EU-Kommission aber auch von Dieter Hoffmann von der renommierten Weinbau-Hochschule Geisenheim in Deutschland. "Das sehe ich für genauso zulässig, in Deutschland Grünen Veltliner anzubauen, wie die Österreicher Riesling anbauen. Diese Freiheit im Markt ist ein Vorteil, (...) dann bekommen wir bessere Qualität zu günstigen Preisen, und trotzdem verdienen die guten Winzer Geld", meinte er zum Deutschlandradio.

Regionen sollen Marke werden

Den meisten EU-Ländern gefällt das aber ganz und gar nicht. Sie wollen nicht an der Regulierung rütteln, mit der ihre Claims abgesteckt werden. Alle großen weinerzeugenden Staaten in der Union - 15 an der Zahl - sind gegen die Pläne. "Preiseinbruch, Qualitätsverlust und negative Auswirkungen auf den Tourismus wären die Folge", ärgert sich Weinbaupräsident Pleil. Dieses Nein aus nahezu allen Unionsländern hat die EU-Kommission auch dazu bewogen, eine Expertengruppe einzuberufen. Diese "High Level Group" tendiert denn auch zur Beibehaltung der Auspflanzlimits.

Die Chancen stehen also gut, dass die Konsumenten keinen italienischen Riesling oder österreichischen Montepulciano trinken werden. Nicht, dass sie das nicht schon jetzt könnten. Aber ohne Liberalisierung werden unsere italienischen Nachbarn wohl kaum Veltliner auspflanzen. Denn jetzt müssten sie dafür in gleichem Ausmaß Rebstöcke stilllegen.

Und auch für den Fall, dass eine Liberalisierung letztendlich doch kommt, beugt man bereits vor. Die geschützten DAC-Regionen - DAC steht für Districtus Austriae Controllatus - sollen Herkunftsgebiet und Rebsorte in der Wahrnehmung des Kunden miteinander verschweißen. Bestellt man eine Flasche Weinviertel DAC, dann erwartet man einen Grüner Veltliner etwa aus Retz oder Poysdorf, ordert man ein Glas Neusiedlersee DAC, dann einen Zweigelt etwa aus Gols oder Mönchhof.

Noch werden diese Marken nicht von der Mehrzahl der Kunden als solche wahrgenommen. Gelingt das aber, können die Winzer für ihre Weine gutes Geld verlangen. Sollte es einmal einen britischen Veltliner in großem Stil geben, wäre man dagegen gefeit. (Hermann Sussitz, derStandard.at, 3.9.2012)