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Flüssiggasflaschen, mit denen die meisten Ägypter kochen, sind in Kairo Mangelware. Am Schwarzmarkt ist der Preis um die Hälfte gestiegen.

Foto: REUTERS/Amr Abdallah Dalsh

Erst sagt er Nein, und dann überlegt er noch einmal. Ein Karton Mineralwasser sei vielleicht doch noch im Lager, meint der Besitzer eines kleinen Supermarktes im Zentrum von Kairo. Anstatt des normalen Preises von 23 ägyptischen Pfund (etwa drei Euro) will er allerdings das Doppelte. Bei hohen Temperaturen zwischen 35 und 40 Grad ist Flaschenwasser seit Wochen Mangelware. Schuld sind die Hitze und die Schließung von mehreren Quellen wegen Unsauberkeit. Jetzt machen vor allem Zwischenhändler ein gutes Geschäft mit der Knappheit.

Dieser Sommer am Nil ist außergewöhnlich heiß, deshalb laufen die Klimaanlagen, von denen es - ein Zeichen des steigenden Wohlstands - immer mehr gibt, auf vollen Touren. Und die Ägypter lieben es kühl. Die Folge sind regelmäßige Stromausfälle.

Die Konsumenten verbrauchen ganz einfach mehr Strom, als produziert wird. Meist eine Stunde, manchmal aber auch drei oder vier Stunden kann die Elektrizität wegbleiben. Und in diesem Jahr trifft es alle, auch in den nobleren Quartieren der Millionenmetropole Kairo bleibt der Strom regelmäßig aus. Wann, da darf man sich überraschen lassen. Einen Plan scheint es nicht zu geben.

Freuen über diese Mangelsituation können sich einzig die Verkäufer von Überbrückungsgeräten und Generatoren. Ihr Surren ist ein neues Geräusch in der ohnehin schon lauten Metropole am Nil.

Minister gibt Stromspartipps

Regierungschef Hisham Kandil hat sich deshalb im Fernsehen an die Bevölkerung gewandt und ihr Stromspartipps gegeben. So hat er geraten, die Familien sollten sich in einem Raum des Hauses oder der Wohnung versammeln und nur dort die Klimaanlage laufen lassen, und sie sollten kühlende Baumwollkleidung tragen.

Der Auftritt hat ihm vor allem Spott eingetragen. Sparen, obwohl man sich auch eine hohe Stromrechnung leisten könnte, ist nicht die Art des Ägypters. Und so hat Kandil zum Beispiel in den Internetforen viel Spott geerntet und sich den Namen "Cottonil" nach einer bekannten einheimischen Kleidermarke eingehandelt.

Das rhythmisch metallene Klopfen der Gasflaschenverkäufer mit dem Schraubenschlüssel auf ihre "Butagas"-Zylinder gehört in Ägypten zu den vertrauten Klängen. Zurzeit erinnert es vor allem an die akute Krise. Wie die immer wiederkehrenden Schlangen vor den Tankstellen und die häufigen Stromausfälle in diesen heißen Sommertagen sind es Facetten eines Subventionssystems für Energieträger, dessen Finanzierung nicht nur an Grenzen stößt, sondern vor allem die Falschen, nämlich die Reichen begünstigt.

Die subventionierte Gasflasche, die rund drei Viertel der Ägypter zum Kochen benötigen, müsste eigentlich acht Pfund (nicht ganz einen Euro) kosten. Die Knappheit hat ihren Preis aber bis auf fast 50 Pfund getrieben. Der Schwarzmarkt blüht. An mehreren Orten kam es zu Schlägereien an den Verkaufsstellen. Allein die Subventionen für die Flüssiggasflaschen verschlingen jährlich fast eine Milliarde Euro.

Subventionen haben in Ägypten eine lange Tradition. Die Folge sind Fehlentwicklungen auf den Märkten. Mindestens im Bereich der Energie hat sich aber inzwischen auch bei breiteren Volksschichten die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Subventionen zum großen Teil den Falschen zugutekommen.

Das extremste Beispiel ist der Benzin. Von der Vergünstigung profitiert zu 93 Prozent das reichste Fünftel der Bevölkerung. Öl, Gas und Strom werden in Ägypten durchschnittlich mit 55,6 Prozent subventioniert. Das kostete den Staat im Jahr 2010 20,28 Milliarden Dollar (rund 16 Milliarden Euro). Das entsprach 9,3 Prozent des Bruttosozialproduktes und war mehr als das Budgetdefizit von 19,2 Milliarden Dollar (rund 15 Milliarden Euro).

In der gegenwärtigen Finanzkrise hat die Regierung immer größere Probleme, die lokale Nachfrage nach subventioniertem Benzin, Gas und Strom zu bedienen.

Auslaufen der Subventionen

Pläne, die Energiesubventionen schrittweise auslaufen zu lassen, gibt es bereits seit 2007. Mit dem Ausbruch der internationalen Finanzkrise 2008 wurden sie aber wieder schubladisiert. Ein kleiner Schritt wurde dann zu Beginn des Jahres 2012 gemacht, als der energieintensiven Industrie - zum Beispiel Stahl, Zement, Glas, Keramik und Dünger - eine Preiserhöhung von 33 Prozent auferlegt wurde.

Auch der Preis der teuersten Benzinsorte wurde leicht angehoben. Um das Problem der Butagas-Zylinder zu lösen, wurde ein Couponsystem evaluiert, nur um dann gleich wieder verworfen zu werden, weil die Kosten viel zu hoch waren. (Astrid Frefel, DER STANDARD, 3.9.2012)