London - Doris Mader hat Silber. Die Österreicherin verlor am Montag das Tischtennis-Endspiel der Klasse 3 gegen die Schwedin Anna-Carin Ahlquist glatt mit 4:11, 6:11 und 5:11. Es war die fünfte Medaille für Österreich bei den Paralympics in London. Die Niederlage war keine Überraschung, Mader konnte die Schwedin noch nie bezwingen.
Am Samstagnachmittag war Mader durch einen 3:0-Sieg über die von gut 7000 Zusehern frenetisch angefeuerte britische Vertreterin ins Finale ihrer Klasse vorgedrungen war. Wenige Stunden zuvor und im Viertelfinale hatte Mader erstmals die chinesische Nummer eins, Li Qian, mit 3:2 geschlagen.
Mader war mit der Silbermedaille hochzufrieden. "Die Freude überwiegt ganz klar", sagte sie nach dem größten Erfolg ihrer Karriere. "Gold war einfach nicht in Reichweite. Ich bin hierhergekommen mit dem großen Ziel, eine Medaille zu holen. Dass es Silber geworden ist, ist einfach großartig. Jetzt kann ich aufbauen für die Zukunft und hoffe, dass ich noch bei vielen Events dabei sein kann."
Im Kugelstoßen der Männer landete der sehbehinderte Bil Marinkovic nach seinem Bronze-Gewinn im Diskuswurf in der Klasse F11 auf Finalrang acht. Mit 12,21 m erzielte der 39-Jährige persönliche Saisonbestleistung. Gold gewann der 40-jährige Ukrainer Andrij Holiwez mit 16,25 m. Auf den Gewinn der Bronzemedaille fehlten Marinkovic 2,52 m.
Silber auch für Fraczyk
Beachtlich war einmal mehr auch die Leistung von Stanislaw Fraczyk, der einfach nicht aufhören kann. "Man weiß natürlich nie, was passiert. Aber wenn mein Körper dementsprechend mitmacht, werde ich wohl in Rio dabei sein", sagte der 59-jährige Österreicher am Sonntag unmittelbar nach seiner nicht unerwarteten Niederlage im Match um Gold in der Tischtennis-Klasse 9 für stehende Athleten, die an einer Extremität behindert sind.
Fraczyks Handicap, auch in Hinblick auf die nächsten Paralympics 2016, ist immer weniger das wegen einer Polioerkrankung in der Kindheit um fünf Zentimeter verkürzte und geschwächte rechte Bein. Es hinderte und hindert den gebürtigen Polen (Lodz) nicht daran, für viele Athleten ohne Behinderung einen übermächtigen Gegner abzugeben. Was dem zwölfmaligen österreichischen Staatsmeister, der seit 1980 - und, ja, immer noch - für Rekordchampion UTTC-Stockerau Bundesliga spielt, tatsächlich zunehmend zu schaffen macht, ist das Alter. Seine Gegner werden gleichsam immer jünger.
Im Exhibition Center London, kurz ExCeL, war am Sonntag der Chinese Ma Lin, dem der rechte Arm fehlt, zu jung für Fraczyk. Nach etwas mehr als 35 Minuten ging die 22-jährige Nummer eins als 3:1-Sieger über die Nummer zwei von der Platte. Immerhin hatte Fraczyk dem Chinesen Satz eins und nach 8:0-Führung mit 11:8 abgenommen. "Dann hat er sich umgestellt", sagte Fraczyk.
Der Amtsdirektor der Buchhaltungsagentur des Bundes wird sein letztes sportliches Ziel aus Altersgründen wohl kaum realisieren können - die Aufnahme in die Hall of Fame des Welt-Tischtennisverbandes ITTF. Diese Ehre wird nur Athleten - Behinderten wie Nichtbehinderten - zuteil, die zumindest fünf Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften, Olympischen Spielen und Paralympics gewonnen haben. Fraczyk gewann seine Klasse bei den Paralympics 1996 und 2004, 1998 und 2002 war er Weltmeister. In London reichte es zur insgesamt sechsten Silbermedaille.
Beloved Elly
Weil nach Maders Finaleinzug und vor dem gleichen Erfolg von Fraczyk Dressur-Reiter Josef Puch in Greenwich im Individualbewerb auf seiner Stute Fine Feeling zur Bronzemedaille geritten war, nahm man beim Österreichischen Paralympischen Committee (OEPC) gerne das Wort vom Super Saturday auf, den die gastgebenden Briten nach dem Gewinn dreier Goldmedaillen feierten. Vor allem, dass beloved Eleanor Simmonds wie schon vor vier Jahren in Peking über 400 m Kraul zum Titel schwamm, ergötzte die Nation. Die 17-Jährige weinte danach bei der Medaillenfeier derart ansteckend, dass im randvollen Aquatics Centre kaum ein Auge trocken blieb.
Puch musste erst am Abend bei der Medaillenfeier im Trinity House, auch bei den Paralympics das Österreich-Haus, schlucken. Der 46-jährige Steirer bezeichnete den dritten Platz als größten Erfolg seiner Karriere, die er als Vielseitigkeitsreiter begonnen hatte. Vor vier Jahren verunfallte der Olympiateilnehmer von 2004 bei einem Turnier. Seitdem kann der inkomplett Querschnittgelähmte seine Pferde nur durch Balance und seine Stimme lenken. Gemäß seinem Bekenntnis, dass die Pferde seine Schwäche kompensieren würden, bedankte er sich vor allem bei Fine Feeling: "Sie hat eigentlich alles gemacht."
Bronze mit dem Speer ...
Während Puchs Erfolg zu erhoffen war, kam am Sonntagvormittag die vierte Medaille für Österreich überraschend. Die seit Kindheit sehbehinderte Natalija Eder (32) gewann im Speerwerfen mit 38,03 Metern Bronze. Diese im zweiten Versuch erzielte Weite war Weltrekord, ehe die Topfavoritin Tanja Dragic aus Serbien und die Russin Anna Sorkina an Eder vorbeizogen. Die in Weißrussland geborene zweifache Mutter nannte ihren Erfolg dennoch und wohl auch zutreffend einen "Wahnsinn".
... und mit dem Diskus
Blindensportler Bill Marinkovic sorgte am späten Sonntagabend für eine weitere Medaille. Der 39-Jährige kam im Olympiastadion im Diskuswurf der Klasse F11 mit 34,59 Metern an die dritte Stelle. Gold ging an den Spanier David Casino (38,41), Silber an den Ukrainer Wasil Lischtschinskji (35,66). Marinkovic gewann 2004 in Athen Gold im Speerwurf. In London tritt er noch im Kugelstoßen an. (Sigi Lützow, DER STANDARD, 3.9.2012)