"Ich verstehe, dass manche den Eindruck haben, es würde mit Rot-Blau manches leichter gehen als mit Rot-Schwarz", meint Rudas. "Ich glaube aber, es gibt überhaupt keine Vorteile mit Rot-Blau."

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Die Inseratenaffäre werde sich im Nichts auflösen - davon ist SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas überzeugt. "Es wird sich nichts erhärten", meint Rudas zu dem Vorwurf, Bundeskanzler Werner Faymann habe in seiner Zeit als Verkehrsminister Staatsunternehmen beauftragt, für sein Ministerium Werbung zu machen. Zur aktuellen Wehrpflicht-Debatte meint Rudas, die Volksbefragung werde auf jeden Fall bindend sein - auch dann, wenn sich die ÖVP mit ihrer Fragestellung durchsetzt.

derStandard.at: Wie würden Sie das Befinden der ÖVP beschreiben?

Rudas: Ich bin so fair, dass ich das nicht aus der SPÖ-Zentrale heraus mache. Man bekommt eh alles über die Medien mit - und von diesem Hickhack halte ich nichts.

derStandard.at: Wie lässt es sich vertreten, dass ein Minister sich von einem staatsnahen Unternehmen Imagewerbung spendieren lässt? Diese Vorwürfe werden gerade gegenüber Werner Faymann und Josef Ostermayer erhoben.

Rudas: Alle Unternehmen werben. Wie sie werben, steht ihnen frei. Auch der Online-STANDARD wirbt, nehme ich an. Dass man etwa für Verkehrssicherheit wirbt, liegt in der Natur der Sache.

derStandard.at: Es gibt Aktenvermerke, die darauf hindeuten, dass Faymann die Inserate in Auftrag gegeben hat.

Rudas: Gerüchten zufolge ...

derStandard.at: Wie war es dann also wirklich?

Rudas: Josef Ostermayer hat klar Stellung bezogen. Vilimsky (FPÖ-Generalsekretär, Anm.) hat Anzeige erstattet. Deswegen hat die Staatsanwaltschaft geprüft und abgeschlossen, wollte bereits einstellen und prüft jetzt nach einer Weisung weiter. Das würde ich jetzt einfach abwarten und nicht vorverurteilen.

derStandard.at: Die Vorwürfe kommen nicht nur von der FPÖ, sondern auch von ehemaligen Beschäftigten der Asfinag.

Rudas: Aber angezeigt hat die FPÖ. Wir müssen nicht Staatsanwaltschaft spielen - dort wird geprüft, und wir warten das ab.

derStandard.at: Angenommen, die Vorwürfe erhärten sich. Finden Sie es okay, wenn sich ein Minister auf Unternehmenskosten in Inseraten selbst lobt?

Rudas: Die FPÖ hat angezeigt, die Staatsanwaltschaft untersucht - es wird sich nichts erhärten.

derStandard.at: Sie spielen den Ball der FPÖ zu - aber auch der Rechnungshof hat das Vorgehen scharf kritisiert, und die Staatsanwaltschaft spricht von "Schutzbehauptungen" Faymanns.

Rudas: Der Rechnungshof hat schon viel kritisiert. Und es gibt auch zwei Gutachten, die besagen, dass Inserate und Imagekampagnen berechtigt sind - und damit dem Rechnungshof klar widersprechen. Die Gutachten waren von der Uni Wien und von einem deutschen Gutachter im Auftrag der Staatsanwaltschaft - denen kann man wirklich keine Parteinähe unterstellen.

derStandard.at: Waren Sie und Werner Faymann jemals unterschiedlicher Meinung?

Rudas: Ja.

derStandard.at: Drei Beispiele bitte.

Rudas: Nein, das sage ich deswegen nicht, weil es schon einen Sinn hat, dass ein Parteivorsitzende und seine Bundesgeschäftsführerin untereinander diskutieren und das nicht öffentlich machen. Aber wir sind öfters auch unterschiedlicher Meinung.

derStandard.at: Welche Jobs haben Sie in Ihrem Leben schon angenommen?

Rudas: Also, was ich schon alles gearbeitet habe?

derStandard.at: Ja. Auf Twitter hat @Einfach_M gefragt, wie glaubwürdig es ist, wenn jemand über Privatwirtschaft redet, obwohl er noch nie dort gearbeitet hat.

Rudas: (seufzt) Ja, das ist wieder dieses "Politik gegen Privatwirtschaft", ich weiß, das ist im Moment total im Trend. Das finde ich völlig absurd. Ich habe eine Management-Aufgabe, habe Mitarbeiter, die ich führen muss. Dass ein Politiker weniger für die Privatwirtschaft geeignet ist als umgekehrt, das widerlegt ja auch die Realität - schauen wir uns an, wie viele Politiker in der Privatwirtschaft gelandet sind und dort sehr gute Arbeit geleistet haben, und schauen wir uns die vielen Quereinsteiger in der Politk an. Ich wehre mich auch, bei diesem Politik-Bashing mitzumachen, auch wenn es im Moment vielleicht in ist.

derStandard.at: Welche Studentenjobs haben Sie vor Ihrem - sehr frühen - Eintritt in die Spitzenpolitik gemacht?

Rudas: Unterschiedlich. Ich habe neben der Schule Gitarre unterrichtet, ich habe in der Uni-Zeit von Kellnern bis zu CDs Verkaufen beim Falco-Musical einiges gemacht.

derStandard.at: Was passiert, wenn sich die ÖVP bei der Volksbefragung zur Wehrpflicht durchsetzt und es eine Ja/Nein-Frage wird?

Rudas: Es gibt zwei Modelle, also haben wir gesagt: Fragen wir doch das Volk, wenn wir uns in der Regierung nicht einig werden. So, wie das Volk entscheidet, wird es auch geschehen. Dass man sich über Fragestellungen streitet, halte ich für nicht notwendig. Ich appelliere nur an alle, die Diskussion intelligent zu führen - manche Argumente erinnern mich an tiefsten republikanischen Wahlkampfstil. Da heißt es: "Da kommt die Rettung nicht mehr" - völlig absurd. In ganz Europa wird die Wehrpflicht abgeschafft.

derStandard.at: Sie wollen über die Fragestellung nicht streiten. Heißt das, folgende Frage wäre für Sie okay? "Sind Sie für eine Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes in Österreich - ja oder nein?"

Rudas: So wäre die Fragestellung nicht in Ordnung.

derStandard.at: Die ÖVP will es so.

Rudas: Ja, aber das verhandelt jetzt Norbert Darabos (Verteidigungsminister, SPÖ, Anm.) mit Mikl-Leitner (Innenministerin, ÖVP, Anm) aus. Ich halte nichts von der Vermischung von Wehrpflicht und Zivildienst. Und zu sagen "Wir haben eine Wehrpflicht, damit wir uns soziale Einrichtungen leisten können" ist seltsam.

derStandard.at: Was passiert, wenn sich Darabos nicht durchsetzt?

Rudas: Wenn-dann-Fragen sind immer schwierig.

derStandard.at: Aber die Volksbefragung wird auf jeden Fall bindend sein?

Rudas: Ja.

derStandard.at: Was bedeutet es für Darabos, wenn er sein Modell nicht durchsetzt? Muss er zurücktreten?

Rudas: Das verstehe ich nicht: Auf der einen Seite diskutieren wir die ganze Zeit über direkte Demokratie. Und wenn wir dieses Instrument dann einmal nutzen, macht man daraus eine parteipolitische Frage. Wenn man sich traut, über eine Frage abstimmen zu lassen, dann muss man das Ergebnis auch akzeptieren.

derStandard.at: Also würde Darabos auch das ÖVP-Modell umsetzen?

Rudas: Ich bin nicht Pressesprecher von Darabos, das müssen Sie ihn selber fragen. Aber Mehrheitsentscheidungen muss man in der Demokratie akzeptieren. Auch in der Bildungspolitik gibt es einiges, was wir anders machen würden, wenn wir die Absolute hätten. Norbert Darabos ist jedenfalls bis jetzt der Einzige, der ein Modell zur Zukunft des Heeres vorgelegt hat - von der ÖVP gibt es da noch nichts.

derStandard.at: Am SPÖ-Parteitag wird Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller einen Antrag auf Einführung von Studiengebühren einbringen. Werden Sie zustimmen?

Rudas: Nein. Ich bin gegen Studiengebühren. Ich bin für eine Reparatur des alten Modells, das ja vorsieht, dass Langzeitstudenten sehr wohl Studiengebühren zahlen, aber die Mehrheit nicht.

derStandard.at: Sie haben vor kurzem gesagt, dass die Reichsten schon Gebühren zahlen sollten.

Rudas: Das war ein Missverständnis. Ich halte viel von Vermögenssteuern und bin dafür, dass man ein Steuersystem hat, das umverteilt. Aber ich will nicht, dass man da einzelne Sachen herausnimmt - wie Unis oder das Spitalswesen. Ich bin dafür, dass wir eine Reichensteuer einführen und uns dann mit der Steuer gute Universitäten leisten können. Was mich ärgert, ist, dass wir ständig nur darüber diskutieren, wie wir junge Menschen von den Unis fernhalten - und nicht, wie wir junge Menschen an die Unis bringen können.

derStandard.at: Burgstaller ist sich aber relativ sicher, dass es für ihren Antrag eine Mehrheit geben wird.

Rudas: Da müssen Sie sie fragen - ich bin mir sicher, dass die Mehrheit in der Sozialdemokratie gegen die Wiedereinführung von Studiengebühren ist.

derStandard.at: Am Bundesparteitag wird es auch einen Antrag auf ein bundesweites Verbot des kleinen Glücksspiels geben - werden Sie hier zustimmen?

Rudas: Ja, ich glaube, das kann ich unterstützen. Das kommt zwar auf den Antrag an, was im Detail drinsteht. Aber ich bin keine Verteidigerin des Glücksspiels.

derStandard.at: Es gibt aktuell ein Volksbegehren für mehr Steuergerechtigkeit. Haben Sie unterschrieben?

Rudas: Nein, das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit der Absender. Dass wir uns für Verteilungsgerechtigkeit einsetzen, steht außer Streit.

derStandard.at: Der Absender ist unglaubwürdig, aber der Inhalt ist gut?

Rudas: Teile davon, andere Teile wieder nicht. Das war beim Bildungsvolksbegehren auch so - dass jemand etwas hinlegt, was man zu hundert Prozent unterstützt, ist selten.

derStandard.at: Die Bundes-SPÖ hat sich immer schwer damit getan, öffentlich Sympathien für Rot-Grün zu bekunden. Jetzt hat es ein Treffen Faymanns mit Glawischnig gegeben, fast eine Foto-Lovestory. Warum dieser Wandel?

Rudas: Erstens: Wenn sich zwei Parteivorsitzende treffen, kann man nicht von einem Liebestreffen reden. Das kann man auch ernster nehmen. Gerade in Europafragen haben wir mit den Grünen viel Übereinstimmung und haben sie in der parlamentarischen Arbeit oft gebraucht. Und wir haben gesehen, man kann mit ihnen verhandeln, und Rot-Schwarz hat keine Zweidrittelmehrheit, wir haben aber oft Zweidrittelmaterien - deshalb ist es sinnvoll, mit den Grünen konstruktive Gespräche zu führen.

derStandard.at: Aber was hat sich da geändert? Es gibt keine Brückenfotos Alfred Gusenbauers mit Alexander Van der Bellen.

Rudas: Das dürfen Sie nicht mich fragen, ich war damals Jugendsprecherin. Ich hatte schon damals eine gute Gesprächsbasis mit den Grünen, genauso mit den Schwarzen - mit den Blauen nicht.

derStandard.at: Welche Argumente gibt es für Rot-Blau?

Rudas: Ich verstehe, dass manche den Eindruck haben, es würde mit Rot-Blau manches leichter gehen als mit Rot-Schwarz. Ich glaube aber, es gibt überhaupt keine Vorteile mit Rot-Blau. Denn die Sozialdemokratie hat als Stützpfeiler den Antifaschismus. Und den würden wir mit Rot-Blau aufgeben.

derStandard.at: Kann es sein, dass dieser Stützpfeiler zu wenig betont wurde?

Rudas: Sagen wir so: Er kann nicht stark genug betont werden. Es kann keine Koalition mit den Blauen geben. Und vielleicht haben Sie recht, vielleicht muss man es noch lauter trommeln, wie wichtig der antifaschistische Konsens ist - gerade mit unserer Historie.

derStandard.at: Was müsste Ihnen Frank Stronach bieten, damit Sie für ihn arbeiten?

Rudas: Er kann mir nichts bieten. Da liegen Welten dazwischen. Ich werde immer aufrechte Sozialdemokratin sein.

derStandard.at: Stronach spielt die Rolle des Anti-Politikers, der gegen das Bild des Berufspolitikers ankämpft - also gegen Sie. Er feuert eine extrem politikerfeindliche Stimmung an. Wie wollen Sie in diesem Klima bei der nächsten Wahl bestehen?

Rudas: Da muss man sich hinstellen und dagegenhalten: Entpolitisierung ist eine Strategie, die nur denen nützt, die sich's richten können - wie zum Beispiel Stronach. Wenn man sich anschaut, was die Bürgermeister, die Gemeinderäte, Bezirksräte, auch Nationalräte alles leisten, wie sie Überzeugungsarbeit leisten, dann mache ich einfach nicht mit bei diesem Politik-Bashing. Dass es schwere Verfehlungen von Politikern gegeben hat, stimmt - aber das gab es bei Ärzten, Lehrern und Journalisten auch. Deswegen kann man nicht ganze Berufsgruppen verteufeln.

derStandard.at: Wie wird denn ein 16-Jähriger oder eine 16-Jährige reagieren, wenn Sie Ihr Lob auf die Bezirks- und GemeinderätInnen anstimmen?

Rudas: Das weiß ich nicht. Aber auch 16-Jährige wissen, was Demokratie ist. Und dass es in jedem Beruf schwarze Schafe gibt. Und dass Politik wichtig ist. Es gibt ja noch immer Leute, die kritisieren, dass 16-Jährige wählen dürfen. Ich sage darauf immer: Die Politik hat erst so richtig Rücksicht auf junge Menschen genommen, als sie auch wahlberechtigt waren.

derStandard.at: Angenommen, Sie sollen Ministerin werden: Gibt es irgendein Ressort, das Sie nur ungern übernehmen würden?

Rudas: Sicher gibt es Bereiche, die mich weniger interessieren. In der Politik muss man ja auf alles sofort eine Antwort haben. Es gibt Themen, da würde ich am liebsten sagen: Ich weiß es nicht, geben Sie mir einen Tag, ich muss mir das überlegen. Aber das geht nicht. Gesundheitspolitik und Landesverteidigung sind Themen, wo ich mich noch einarbeiten muss. (Rainer Schüller/Maria Sterkl, derStandard.at, 3.9.2012)