Der deutsche Künstler David Siepert setzt sich mit zensurierten Modezeitschriften im Nahen Osten auseinander und möchte damit den Dialog zwischen Orient und Okzident fördern

Als David Siepert im Jahr 2008 für längere Zeit an einem Projekt in Dubai arbeitete, entdeckte er zahlreiche Modezeitschriften, die bereits in der Druckvorstufe mit einem Bildbearbeitungsprogramm zensuriert und damit an die dort herrschenden Kleidungskonventionen angepasst wurden. Schließlich begann er, Zeitschriften aus den verschiedensten arabischen Ländern zu sammeln. Sein größtes Interesse weckten schließlich jene - vom Westen importierten - Hochglanzmagazine, die nachträglich per Hand und mit dem Filzstift "übermalt" werden.

Foto: David Siepert

"Die meisten Zeitschriften habe ich in Bahrain gekauft. In vielen Fällen machen die Shop-Besitzer diese 'Übermalungen' selbst, da sie ihrem muslimischen Publikum diese Zeitschriften ermöglichen wollen. Das heißt, die Inhalte müssen so angepasst werden, dass sie mit gutem Gewissen im Geschäft aufgelegt und verkauft werden können", sagt der 29-jährige Künstler.

Foto: David Siepert

"Nach islamischem Gesetz haben Frauen ihre Schönheit vor den Blicken fremder Männer zu verhüllen. Diese Regel, die ihren Ursprung im Koran hat, wird allerdings in jedem islamischen Land anders interpretiert und angewendet", erklärt die Islamwissenschaftlerin Elika Djalili. Gesicht, Hände und Füße bleiben üblicherweise von der Verhüllung ausgespart. Alle anderen Körperteile sind bedeckt zu halten, so dass die Körperkonturen nicht zu sehen sind.

Das Spannungsfeld von medialer und sozialer Wirklichkeit diente David Siepert als Ausgangspunkt für sein Kunstprojekt "Censored Dresses", das noch bis zum 14. Oktober in Budapest im Rahmen der Ausstellung "Fresh 2012" der Kogart Foundation zu sehen ist.

Foto: David Siepert

2010 hielt sich der Fotograf längere Zeit in Kairo auf. Dort ließ er acht "zensurierte Designs" von acht verschiedenen Schneiderinnen anfertigen. "Für mich war klar, die Kleidung in einem muslimischen Land realisieren und umsetzen zu lassen", erzählt Siepert. Als Vorlage diente die Anzeige, an der sich die Neukreation möglichst genau zu orientieren hatte. So entsteht eine neue Mode, in der die Originalabbildung mit den Übermalungen verschmilzt.

Foto: David Siepert

"Die Zensur besteht hier nicht aus einem Herausschneiden der verbotenen Stellen, wie man dies sonst von Literatur oder Film kennt, sondern aus dem Hinzufügen neuer farbiger Flächen auf der Haut der fotografierten Modelle", erklärt Islamexpertin Djalili. Besonders deutlich zeigt sich das in der Umsetzung eines Kleidungsstücks von Versace.

Foto: David Siepert

Für den Künstler sind die Übermalungen in erster Linie ein mediales Phänomen, das die islamische Kleiderordnung nur zum Teil widerzuspiegeln vermag. Es entsteht vielmehr eine Art "Zwitter" aus dem, was durch die Religion zu berücksichtigen ist, und "westlichen" Versatzstücken, die aus ästhetischen Gründen zugelassen werden. "Die muslimischen Shop-Besitzer möchten die Modeanzeigen aus den westlichen Zeitschriften ja nicht verunstalten. So werden etwa die Haare nicht 'bearbeitet', obwohl sie eigentlich verdeckt sein müssten", erläutert Siepert.

Foto: David Siepert

Der Künstler nimmt aber nicht nur die Transformation des medialen Bildes in ein tatsächliches Kleidungsstück vor, sondern schafft mit seinen Fotografien der "Censored Dresses" auch gleichzeitig die Basis für eine erneute mediale Verbreitung.

Foto: David Siepert

"Für mich war es in erster Linie wichtig, ein Projekt umzusetzen, mit dem ich in einen Dialog über kulturelle Konventionen anregen kann, ohne gleich über Islam, Religion und Politik sprechen zu müssen", bringt es der Deutsche auf den Punkt.

Foto: David Siepert

Keinesfalls möchte sich Siepert über eine Kultur oder Religion lustig machen. "Besonders der Westen sollte aber seine Vorstellungen vom arabischen Raum und vom Nahen Osten überdenken. Was für uns als typisch islamisch gilt, ist in den betreffenden Ländern nur ein Ausschnitt der sozialen Wirklichkeit", gibt der Fotograf zu bedenken. Beispielsweise tragen junge Frauen im Iran - wo die Kleidervorschriften besonders streng sind - ihre Kopftücher zunehmend wie modische Accessoires. "Das heißt, innerhalb eines Rahmens werden Dinge ausprobiert. Es steht schließlich nirgends geschrieben, wie ein Kopftuch oder Mantel konkret auszusehen hat", so der Künstler.

Foto: David Siepert

Zweifelsohne spielt Ironie dennoch eine zentrale Rolle in den "Censored Dresses": Schließlich bilden die neu hinzugefügten Flächen – nicht zuletzt durch den farblichen Kontrast zur restlichen Kleidung und den übrigen Hautpartien – einen Blickfang, der unweigerlich die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Das ist sicher nicht im Sinne der Zensur. (Günther Brandstetter, derStandard.at, 8.10.2012).

Foto: David Siepert