Wer profitiert eigentlich von dem Konflikt in Syrien? Es sind diejenigen, die außerhalb Syriens thronen und ein großes geostrategisches Kräftemessen veranstalten, dessen Ergebnis über den Bürgerkrieg mitbestimmen wird.

Woran scheitert die Diplomatie?

Nachbarstaaten übernehmen die Drecksarbeit der Großmächte aus West und Ost, die lieber die Fäden an ihren Händen haben möchten als das Blut der Menschen. Geheimdienste beider Seiten mischen seit einiger Zeit auch kräftig mit. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit werden vielfältige diplomatische Bemühungen präsentiert, die ständig scheitern. Woran liegt das eigentlich?

Es liegt an dem Wettlauf, der hinter den Kulissen veranstaltet wird. Ein Wettlauf um politischen Einfluss, um Verbündete, um geostrategische Stützpunkte, um die größten Waffenarsenale und besonders um Rohstoffe. Hierbei entstehen zwangsläufig Blöcke, die man zu oft versucht kleinzureden. Washington und europäische Staaten stehen Moskau und Peking gegenüber, die die Ausweitung des westlichen Einflusses im Nahen Osten nicht dulden möchten. Deshalb unterstützen sie den Iran und Syrien, indem sie Resolutionen blockieren, Sanktionen ignorieren oder "abgeschlossene Rüstungverträge" erfüllen.

Raketenabschuss-/Raketenabwehrtests kann bald jeder! Große "Militärparaden" auf dem Mittelmeer seitens der Amerikaner, Briten, Russen, Chinesen oder Iraner - die sich natürlich von ihrer stärksten Seite zeigen wollen - stehen auf der Tagesordnung. Eine Teilung der Lager lässt sich nicht nur in Bezug auf Syrien wiederentdecken, sondern auch angesichts des Iran-Israel-Konflikts, der kurz vor einer Eskalation scheint.

Keiner spielt mit offenen Karten

Im Konflikt um die vermutete Atomwaffenproduktion des Iran geht es schlicht um die Vorherrschaft in dieser Region, die unter allen Umständen durch beide Parteien beansprucht wird. In diesem Muskelspiel wird auf beiden Seiten nicht mit offenen Karten gespielt und regelmäßig werden einfallsreiche Drohgebärden ausgetauscht. Aber glauben wir wirklich, dass die Großmächte wie USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, China und Russland nicht in der Lage sind, diesem Konflikt ein Ende zu bereiten, wenn sie es denn wollten?

Bei der ganzen Kriegshysterie muss man sich auch mal vor Augen halten, dass der Iran nahezu vollständig von US-Militärbasen eingekesselt ist. Ein Angriff auf einen Verbündeten der USA würde einen regelrechten Selbstmord bedeuteten. Der Iran wird aber in seiner Haltung zum Westen bei den gestellten Bedingungen nicht einlenken. Ständig verweist dieser auf seine große Zivilisationen mit einer antiken Kultur. Dieser stark ausgeprägte Nationalstolz birgt eine Selbstwahrnehmung, die sich selbst in einer Weltmachtstellung, ähnlich der USA sieht oder sehen möchte. Was passiert aber, wenn jeder Chef spielen will?

Zu spät für offene Gespräche?

Grundsätzlich ist es daher für die Verständigung der Völker von großer Bedeutung, Missverständnisse aus dem Weg zu räumen und mit unvoreingenommenem Geist in den Dialog zu gehen. Ja, wir müssen auch mit unseren "Feinden" sprechen! Im Afghanistan verweigerten die USA jegliche Verhandlungen mit den Taliban. Heute, zehn Jahre später, bemüht man sich nun verzweifelt um Gespräche mit ihnen. Ist es nicht etwas zu spät?

Natürlich ist es jedoch der einfachere Weg, den Feind Iran - der eigentlich eine ganze Nation samt den 75 Millionen Menschen ist - pauschal als verrückt, aggressiv und antisemitisch darzustellen und ihn so zu dämonisieren, dass man nicht mehr mit ihnen sprechen muss oder kann. Ist das gerecht? Hingegen erscheint es als ein Versuch der Etablierung eines Feindbildes, wie im Falle des Irak zu sein, der die Kriegsbereitschaft anderer Staaten steigern soll.

Durch die geforderten Militärschläge gegen den Iran wird Israel doch nichts anderes erreichen, als die geteilte iranische Gesellschaft zu "der" iranischen Nation zusammen zu schweißen. In dem syrischen Bürgerkrieg und im Iran-Israel Konflikt wird mit dem Feuer gespielt. Ob durch das Einschreiten auf Seiten der Rebellen in Syrien oder durch die Duldung, gar Unterstützung eines israelischen Militärschlages gegen den Iran. Beide Länder könnten zurückschlagen und einen Flächenbrand auslösen.

Und so manchem Kriegslüsternen scheint dabei nicht klar zu sein, dass bei uns die Lichter aus gehen würden, wenn der Nahe und Mittlere Osten in Brand gesteckt wird. Der Iran-Israel Konflikt ist einzig und allein durch Verhandlungen auf oberster Ebene lösbar. Es ist also nicht die Zeit für Revolutionsromantiker und Kriegstrommler! Wir brauchen keine Verklärer und Hetzer! Wir brauchen tapfere Versöhner mit Entschlossenheit und Klarsicht! (Tahir Chaudhry, derStandard.at, 4.9.2012)