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Berlusconi, hier noch als Premier, mit Bodyguards. Auch nach  seinem Abschied vom Amt schützen ihn dutzende Leibwächter.

Foto: Reuters/Rossi

Eine Hotelrechnung von 80.000 Euro für Gianfranco Finis Leibwächter in dessen Urlaubsort Orbetello hat heftige Polemik um den Polizeischutz für italienische Politiker ausgelöst. Das Innenministerium hat in dem Hotel des Kammerpräsidenten für mehrere Wochen neun Hotelzimmer für seine Bewacher gebucht. Ausgelöst wurde die Affäre durch eine Meldung des Rechtsblattes Libero, das gegen Fini seit dessen Konflikt mit Silvio Berlusconi einen regelrechten Krieg führt.

Der Parlamentspräsident hat Innenministerin Annamaria Cancellieri aufgefordert, das Problem der Leibwächter zu überdenken. Er habe keinerlei Einfluss auf die Entscheidungen um seine Sicherheit, die ausschließlich vom Ministerium getroffen würden.

Der in vielen Fällen ungerechtfertigte oder übertriebene Schutz für Politiker sorgt bei den Polizeigewerkschaften für Unbehagen. Sie schätzen die Gesamtkosten für 841 betroffene Personen auf 250 Millionen Euro. 80 Prozent könnten sofort abgeschafft oder reduziert werden. Neben Richtern und mafiagefährdeten Personen nehmen vor allem Politiker Polizeischutz in Anspruch. Für Polemiken sorgte ein Foto der Fraktionssprecherin des Partito Democratico, Anna Finocchiaro, deren Leibwächter sie beim Einkauf begleiteten und ihr die Taschen trugen.

Der Rekord gebührt einmal mehr Silvio Berlusconi, der als gewöhnlicher Abgeordneter über 40 Leibwächter und zwei gepanzerte Limousinen verfügt. Kurz vor seinem Rücktritt hatte er eine Regelung durchgesetzt, die ihm die Beibehaltung seines Polizeischutzes garantierte. Kosten: 2,5 Million Euro jährlich.

Das Innenministerium hat jetzt acht Polizisten abgezogen, die seit Jahren die Villa des ehemaligen Lega-Ministers Roberto Calderoli bei Bergamo bewachten. Kosten: 900.000 Euro jährlich. Insgesamt sind über 2100 Polizisten mit mehreren hundert gepanzerten Limousinen zum Stückpreis von 140.000 Euro zum Schutz "gefährdeter" Personen eingesetzt.

Viele Polizisten beklagen, dass sie nur als Chauffeure missbraucht würden. Der exzentrische Ex-Staatssekretär Vittorio Sgarbi habe seine Leibwächter dazu aufgefordert, am Flughafen die Warteschlangen zu umgehen.

"Mehr als ein Drittel der Leibgarden sind völlig überflüssig und begleiten Personen, die keinen Schutz benötigen und die Polizeiautos nur als Statussymbol betrachten", erregt sich Umberto De Angelis von der Polizeigewerkschaft. Nach den Protesten hat Innenministerin Cancellieri nun eine Kommission eingesetzt, die die Zuteilung der Polizeieskorten neu regeln soll. Detail am Rande: Maurizio Belpietro, Chefredakteur des Libero, der den Skandal ausgelöst hat, steht selbst unter Polizeischutz. Ein von einem Leibwächter vor zwei Jahren vereiteltes Attentat, das die Zeitung in Schlagzeilen gemeldet hatte, werteten die ermittelnden Staatsanwälte freilich als pure Erfindung. (Gerhard Mumelter, DER STANDARD, 31.8.2012)