Peng. Am Tag der Freisprüche gegen die 13 Tierschützer ließ sich ein Staatsanwalt zu dieser Schießgeste hinreißen. Ein ORF-Kamerateam filmte mit, jetzt ermittelt die Justiz

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Wiener Neustadt/Wien - 15 Monate ist es her, dass im Tierschützer-Prozess 13 Angeklagte vom Vorwurf der Bildung einer kriminellen Organisation (nach dem umstrittenen Paragrafen 278a) freigesprochen worden sind. Am Tag der Urteilsverkündung, dem 2. Mai 2011, war aber nicht allen zum Feiern zumute.

Ein an sich unbeteiligter Staatsanwalt aus Wiener Neustadt beobachtete von einem Fenster des Landesgerichts aus das bunte Treiben vor dem Gebäude - und deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger und nach oben gerichtetem Daumen einen Schuss Richtung Menschenmenge an. Sein Pech: Er wurde dabei von einer ORF-Kamera gefilmt, wie ein Beitrag in der Sendung Am Schauplatz am Freitagabend (Beginn: 21.15 Uhr) zeigt. Der Fauxpas hat jetzt Folgen

Strafrechtliche Konsequenzen möglich

"Ein derartiges Verhalten, so es sich tatsächlich so zugetragen hat, ist inakzeptabel", sagt Ilse-Maria Vrabl-Sanda von der Oberstaatsanwaltschaft Wien auf Anfrage des Standard und kündigt eine Überprüfung des Sachverhaltes an. Denkbar seien nicht nur dienstrechtliche, sondern möglicherweise auch strafrechtliche Konsequenzen, etwa wegen gefährlicher Drohung.

Wie für jeden Beschuldigten gilt natürlich auch für den Wiener Neustädter Staatsanwalt, der für eine Stellungnahme nicht erreichbar war, die Unschuldsvermutung. Vrabl-Sanda betonte am Donnerstag, dass der Oberstaatsanwaltschaft das Video noch nicht vorliege, deswegen seien auch noch keine konkreten Schritte eingeleitet worden.

Aufgeheizte Stimmung beim Prozess

Der Vorfall belegt jedenfalls, wie aufgeheizt die allgemeine Stimmung am Landesgericht Wiener Neustadt damals war. Wie berichtet, stand der Prozess mehrmals auf der Kippe, einerseits weil die Tierschützer rund um Martin Balluch, den Obmann des Vereins gegen Tierfabriken (VgT), alles andere als die Rolle der demütigen Angeklagten spielten und teilweise mit Grundsatzreden den Rahmen sprengten; andererseits weil die Richterin erst im Zuge der Verhandlung auf fragwürdige Ermittlungsmethoden der Polizei stieß (wie etwa die eingeschleuste Informantin mit dem Aliasnamen Danielle Durand).

ORF-Reporterin Nora Zoglauer zeigt in ihrem Am Schauplatz-Film auch, dass der Prozess keineswegs dazu beigetragen hat, das feindselige Verhältnis zwischen Tierschützern und Jägern oder Kürschnern zu entspannen.

Verfahren läuft noch

Das Verfahren ist trotz der Freisprüche noch nicht beendet. Die 13 Tierschützer habe es zwar rechtskräftig schwarz auf weiß, dass sie keine kriminelle Organisation waren, doch gegen Freisprüche bei Einzeldelikten hat die Staatsanwaltschaft berufen.

Konkret geht es um schwere Nötigung, schwere Sachbeschädigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Tierquälerei. Über die Berufung muss das Oberlandesgericht entscheiden. Dieses kann die beeinspruchten Punkte des Ersturteils bestätigen oder aufheben und dann entweder selbst eine Entscheidung treffen oder das Verfahren an die erste Instanz zurückverweisen.

Kein Prozess gegen Polizisten

Endgültig abgeblitzt ist hingegen Martin Balluch mit seinem Bestreben, die Polizeibeamten, die gegen ihn und seine Mitstreiter damals ermittelt hatten, wegen Amtsmissbrauchs vor Gericht zu bringen. Das Verfahren wurde eingestellt. "Selbst wenn im konkreten Fall offenbar fehlerhaft gearbeitet wurde, lässt sich daraus noch kein Rückschluss auf das Vorliegen eines wissentlichen Befugnismissbrauches ziehen", heißt es in der Begründung. (Michael Simoner, DER STANDARD, 31.8.2012)