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Für Klikovits ein Argument für die Wehrpflicht: "Das österreichische Bundesheer ist das einzige medizinische Screening der männlichen Bevölkerung im Alter von 18 Jahren."

Foto: apa/Jäger

Die ÖVP will, dass das Bundesheer künftig für Wehrpflichtige "Benefits" wie einen Gratis-Führerschein bringt. Der Wehrsprecher der ÖVP, Oswald Klikovits, erklärt im Interview mit derStandard.at, warum seine Partei eine Trennung von Katastrophen- und Wehrdienst vorschlägt und was die Wehrpflicht den Rekruten bringen soll. "Ich glaube, dass wir eine Fragestellung bzw. Formulierung finden sollten, wo der Österreicher Ja oder Nein sagen kann", sagt er über die Volksbefragung zur Wehrpflicht im Jänner. Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) wirft er "politisch autistisches Verhalten" vor.

derStandard.at: Die Zustimmung der ÖVP zu einer Volksbefragung kam relativ überraschend. Fühlen Sie sich von den Landesorganisationen überrumpelt?

Klikovits: Ich fühle mich persönlich nicht überrumpelt. Es war ja nur eine Frage der Zeit, in welcher Form und wann befragt wird. Jetzt ist entschieden, dass es eine Volksbefragung geben wird. Wir haben jetzt die Möglichkeit, im Rahmen der Diskussion unsere Argumente auszutauschen, und ich bin mir sicher, dass wir die besseren haben.

derStandard.at: Warum kann man die Frage nicht in der Regierung oder im Parlament entscheiden?

Klikovits: Weil wir einen Verteidigungsminister haben, der leider Gottes seine Meinung in einer so wichtigen Frage, ohne mit dem Koalitionspartner darüber zu sprechen, von heute auf morgen aus niedrigen politischen Gründen geändert hat. Daher haben wir keinen Konsens finden können.

derStandard.at: Sie werfen Darabos seinen Meinungswechsel vor, aber der hat auch in der ÖVP stattgefunden - auch da gab es früher Stimmen für ein Berufsheer.

Klikovits: Bei uns in der ÖVP ist die Beibehaltung der Wehrpflicht seit vielen, vielen Jahren eine klare Sache. Ich möchte nicht verhehlen, dass Bundeskanzler Schüssel in der Vergangenheit angedacht hat, bei einem Beitritt Österreichs zur NATO ein Berufsheer einzuführen. Aber: Die Österreicher haben sich dazu entschieden, die Neutralität beizubehalten. Das können wir aber nur, wenn wir ein geeignetes Heer zur Verfügung haben.

derStandard.at: Es gibt die Möglichkeit, die Bevölkerung entweder mit Ja oder Nein abstimmen zu lassen oder ihr zwei Modelle zur Auswahl zu geben. Für welche Form der Abstimmung sind Sie?

Klikovits: Ich glaube, dass wir eine Fragestellung bzw. Formulierung finden sollten, wo der Österreicher Ja oder Nein sagen kann. Da kann man ja auch in der Fragestellung versuchen, beide Grundgedanken mit einzubauen. Über Modelle abzustimmen halte ich vordergründig nicht für wünschenswert.

derStandard.at: Es wäre doch gut, wenn die Wähler dann eines dieser beiden Modelle ankreuzen könnten.

Klikovits: Ich sperre mich nicht gegen eine Modellentscheidung. Aber grundsätzlich würde ich eine einfach formulierte Entscheidungsfrage persönlich bevorzugen.

derStandard.at: Warum?

Klikovits: Weil die einzige Frage lauten kann, ob die Wehrpflicht aufgehoben oder verbessert weitergeführt werden soll.

derStandard.at: Aus ÖVP-Kreisen ist zu hören, dass man sich auf folgende Frage geeinigt hat: "Sind Sie für eine Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes in Österreich - ja oder nein?" Stimmt das?

Klikovits: Das ist eine Formulierung, mit der ich mich durchaus einverstanden zeigen würde, weil sie die Sache auf den Punkt bringt.

derStandard.at: Die SPÖ will den Zivildienst in der Fragestellung nicht dabeihaben, weil sie sagt, dass das nichts mit der Wehrpflicht zu tun habe. Was sagen Sie zu dem Argument?

Klikovits: Das habe ich schon vom Herrn Verteidigungsminister Darabos gehört. Klar ist, wenn es keine Wehrpflicht gibt, gibt es auch keinen Zivildienst. Das ist entscheidend. Das muss man auch den Österreichern klipp und klar sagen. Hier geht es nicht nur um Wehrpolitik, sondern in weiterer Folge auch um Gesellschaftspolitik.

derStandard.at: Da zeichnen sich Konfliktlinien innerhalb der Koalition ab. Wie hart wird die Ausarbeitung der Fragestellung?

Klikovits: Wenn es einfach wäre, dann hätten wir uns wahrscheinlich vorher schon darauf einigen können. Was man von Darabos' Aussagen halten kann, das haben die Österreicher bereits vorgeführt bekommen. Das gilt auch für Garantieerklärungen beim Katastrophenschutz. Da kann man nichts davon halten. Ich muss ehrlich sagen, für mich persönlich ist es schwierig, mit dem Herrn Verteidigungsminister überhaupt Gespräche zu führen. Er legt hier ein politisch autistisches Verhalten an den Tag und spricht kaum mit jemandem.

derStandard.at: Im ÖVP-Modell, dem "Österreich-Dienst", soll zwischen Katastrophenschutz und Militärdienst unterschieden werden. Warum eigentlich?

Klikovits: Das ist ein bisschen undifferenziert dargestellt. Wir haben immer davon gesprochen, dass das österreichische Bundesheer reformiert gehört. Wir müssen den für die Wehrpflichtigen teilweise nicht zufriedenstellenden Dienst besser organisieren. Auch Darabos hat das beklagt. Nur hätte er die Möglichkeit gehabt, in den vergangenen fünf Jahren etwas auf den Weg zu bringen. Da hat er versagt.

Wir wollen das Bundesheer mit einem "Österreich-Dienst" reformieren. Wir haben hier ein Dreisäulenmodell, das aus Wehrdienst, Katastrophendienst und Zivildienst besteht. Der Wehrdienst und der Katastrophendienst beinhalten einen Dienst mit der Waffe in den ersten acht Wochen, und dann soll es in die Spezialisierung bei den jeweiligen Einheiten gehen.

derStandard.at: Es soll also auch für jene, die Katastrophenschutz machen, eine Zeit an der Waffe geben?

Klikovits: Die muss es geben. Das ist ein militärischer Dienst, der vorsieht, dass die Einsatzfähigkeit immer gegeben ist. Die Spezialisierung in den Waffendienst der einzelnen Waffengattungen soll weiterhin möglich sein. Darüber hinaus soll es eine eigene Schiene der verstärkten Pionierarbeit geben: den verstärkten Katastrophendienst. Da wird wirklich fünf Monate ausgebildet und trainiert.

Wir wollen, dass man, wenn man aus dem Bundesheer ausscheidet, auch nachhaltiges Wissen weiterverwenden kann. Dass Dinge, die erlernt werden, auch im Zivilleben weiterverwendet werden können, wie zum Beispiel die Führerscheine oder Fertigkeiten im technischen Bereich oder in der Anwendung von Maschinen und Geräten im Pionierbereich. Die kann man beispielsweise bei der Feuerwehr oder anderen zivilen Einrichtungen anwenden. Die Nachhaltigkeit ist das Entscheidende. Und eine gute Ausbildung.

derStandard.at: Warum soll es die Schwerpunkte Wehrdienst und Katastrophenschutz geben?

Klikovits: Weil diese zwei Schwerpunkte Teil unserer militärischen Landesverteidigung sind. Aufbauend auf der Sicherheitsstrategie müssen wir unser Heer aufrüsten und auch die Mannstärke garantieren. Das geht nur nach unserem Modell. Was Darabos der Öffentlichkeit präsentiert hat, ist eine Projektarbeit und nicht mehr. Es ist nicht evaluiert. Es lässt keine Rückschlüsse zu, ob das überhaupt funktioniert. Alle ernst zu nehmenden Militärs sagen: Das geht so nicht.

derStandard.at: Aber Berufsheere gibt es in ganz Europa.

Klikovits: Natürlich gibt es Berufsheere in ganz Europa. Nur, wenn wir uns zum Beispiel Ungarn ansehen: Ungarn ist Mitglied der NATO. Ungarn hat deswegen ein Berufsheer, weil die NATO eine Schutzmacht für Ungarn ist. Wenn wir unsere Neutralität aufgeben, und das wird auch Teil der Information zur Wehrpflicht sein müssen, müssen wir Bündnispartner suchen. Wir haben uns entschieden, das nicht zu machen. Es hängt in der Diskussion vieles zusammen.

derStandard.at: Das heißt, Sie sagen: Wenn wir uns für die Neutralität entscheiden, dann heißt das automatisch auch Wehrpflicht?

Klikovits: Wenn wir uns für die Neutralität weiterhin entscheiden, ist die Wehrpflicht eine ganz wesentliche Notwendigkeit.

derStandard.at: Ihr Parteichef Spindelegger spricht in einem Interview davon, dass es für den Wehrdienst Benefits geben soll. Als Beispiele werden Gratis-Führerschein und Sprachkurse genannt. Was ist sonst noch angedacht?

Klikovits: Wir wollen die Leute auch so ausbilden, dass sie später in Auslandseinsätze gehen können. Wenn jemand in dem wichtigen Bereich der Bekämpfung des Cyberwars tätig ist, dann hat er natürlich automatisch Benefits, wenn er an bestimmten Geräten arbeiten kann. Es gibt viele Möglichkeiten, die wir auch noch im Laufe der Diskussion vorstellen werden, wenn wir die Details unseres Österreich-Dienstes präsentieren.

derStandard.at: Wie sollen diese Benefits finanziert werden?

Klikovits: Mit den zwei Milliarden, die wir derzeit haben. Das ist der Unterschied zum Darabos-Modell. Unseres ist gesichert finanzierbar. Das Modell Darabos ist nachweislich bei gleich bleibender Qualitätserhaltung und Aufgabenerfüllung in jedem Fall nicht finanzierbar.

derStandard.at: Das wird er selbst wohl anders darstellen. Wieso ist ihr Modell finanzierbar?

Klikovits: Weil wir mit der Wehrpflicht viele Verteuerungskosten, die Darabos mit seinen Projektarbeiten umsetzen möchte, nicht haben. Man wird auch Einsparungen treffen müssen. Es ist ja nicht so, dass das alles so bleiben wird, wie es jetzt ist. Aber durch die Umstellungen und die Beibehaltung eines Wehrpflichtsystems können wir mit unserem Modell die Aufgabenstellungen erfüllen. Darabos kann das nicht. Ich habe ihn oft genug gefragt, wie er das finanzieren möchte. Er kommt auf zehn Millionen, wir kommen auf 40 Millionen. Wenn bei Darabos eins und eins vier ist und bei uns halt nur zwei, dann werden wir ein Rechenproblem haben.

derStandard.at: Die ÖVP will die Tauglichkeitskriterien verschärfen. Wie genau soll das aussehen?

Klikovits: Als Grundlage sollte dienen, dass bei Berufsunfähigkeit auch die Tauglichkeit wegfällt. Alle anderen sollen Aufgabenstellungen beim österreichischen Bundesheer in ihrer Eignungsmöglichkeit finden. Bei der Gelegenheit auch ein Hinweis, der nicht sehr oft gemacht wird: Das österreichische Bundesheer ist das einzige medizinische Screening der männlichen Bevölkerung im Alter von 18 Jahren. Jeder männliche Bürger dieses Landes wird mit 18 auf seinen gesundheitlichen Zustand überprüft. Das fällt dann auch weg, das vergisst man oft.

erStandard.at: Warum wäre das schlimm?

Klikovits: Warum das schlimm wäre? Weil man rechtzeitig erkennen kann, wie es um den Gesundheitszustand der jungen Männer bestellt ist.

derStandard.at: Bei den Frauen gibt es das auch nicht.

Klikovits: Das habe ich ja auch gesagt. Es ist ein positiver Nebeneffekt, dass ein Screening der männlichen Bevölkerung durchgeführt wird.

derStandard.at: Sozialminister Hundstorfer will ein Freiwilliges Soziales Jahr statt des Zivildienstes. Da könnten auch Frauen und Menschen aller Altersgruppen mitmachen. Wäre das nicht ein Vorteil?

Klikovits: Das Freiwillige Soziale Jahr gibt es ja jetzt auch schon. Ich wünsche dem Herrn Hundstorfer viel Glück bei seinem Ansinnen, 1.300 Euro brutto zu bezahlen. Zudem muss er auch noch Freiwillige in ausreichender Anzahl finden. Wir wissen heute schon, wie schwierig es ist, das System zu finanzieren. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, aus dem Budget nur einen Cent zusätzlich ohne Qualitätsverlust auf anderen Seiten lockerzumachen. (Lisa Aigner, derStandard.at, 30.8.2012)