Salzburg - Edinburgh am 21. August, dann zweimal Lucerne, gefolgt vom Musikfest Stuttgart und nun also zweimal Salzburger Festspiele - bis es dann auch nach Grafenegg geht (2. September). Kann sein, dass die fahrenden Orchester, die auf ihren Europatourneen vor Saisonbeginn auch im Großen Festspielhaus Station machen, kleine Ermüdungserscheinungen zeigen; das Cleveland Orchestra hinterließ beim ersten Abend in Salzburg jedenfalls zwiespältige Eindrücke.
Immerhin, Witold Lutoslawskis "Konzert für Orchester" schien im Stechschritt daherzukommen: Da drohten in der Intrada die ge fährlich sonoren Pauken. Da verstörte im Tutti-Forte der schreiende Geigenton. Da fegten Klangfetzen über den Zuschauerraum hinweg, als würde ein Dutzend Lautsprecher Motive live elektronisch verstärken. Reizvolle Raum-Klang-Wirkungen verliehen dem Stück Tiefe. Den zweiten Satz, Capriccio notturno e arioso, ließ Franz Welser-Möst ein wenig hummel flug artig und leichtgewichtig da her fegen, die Passacaglia des 3. Satzes dagegen klangvoll zele brieren.
Im Pianissimo stellen die Bässe das Ostinato-Motiv vor: Die schlichte Grundfigur wandert, immer höher werdend, durch die Gruppen, bis es bei den ersten Geigen landet und im Flageolett verhaucht. Zu diesem "Aufstieg" liefert das Tutti Klangkulissen unterschiedlichsten Charakters, die das Cleveland Orchestra in Klangfarben und Lautstärke fein differenziert aufrollen ließ.
Damit war die Luft aber drau ßen. Vier Teile aus Smetanas Zyklus "Má Vlast" kamen ohne spürbare Grundspannung, dafür hektisch daher. "Vysehrad", die Erinnerung an goldene Ritterzeiten, schien aus lauter durchaus wohlklingenden, aber nicht enden wollenden Schlusswendungen zu bestehen. Auf Böhmens Hain und Flur schien sogar der Schmelz der Holzbläser klang- und farblos zu werden. Zudem ließ Welser-Möst die vielfältigen Motive ohne spürbaren Zusammenhang aneinanderreihen.
Wenig schlüssig auch die "Moldau". Dynamisch-organische Bewegung und Spannung zeigten einzig die Reiterinnen und Reiter in "Šárka", der vertonten Sage von der beleidigten Jungfer, die gegen ihren untreuen Geliebten und gegen das ganze männliche Geschlecht zu Felde zieht. (Heidemarie Klabacher, DER STANDARD, 30.8.2012)