Der Vorsitzende einer größeren Parlamentspartei sollte kein Getriebener sein. Er sollte auf politische Entwicklungen nicht immer nur reagieren, sondern im Gegenteil nach innen und nach außen überraschende Spielzüge setzen. Er sollte nicht nach langem Sträuben dann doch das nachvollziehen, was stärkere politische Charaktere innerhalb und außerhalb der Partei vorgeben.

Er sollte, kurz gesagt, nicht Führungsstärke vermissen lassen. Er sollte, um es offen auszusprechen, nicht so schwach agieren wie Michael Spindelegger.

Der ist seit etwas mehr als einem Jahr Parteivorsitzender der ÖVP und Vizekanzler. Das ist ein fast unmöglicher Job, vor allem angesichts der Lawine an Korruptionsfällen, die als Erbe der schwarz-blauen Koalition nach wie vor zu Tage kommen. Trotzdem muss der Chef einer immer noch wichtigen Partei wie der ÖVP versuchen, die Initiative in die Hand zu bekommen und darf sich nicht düpieren lassen.

Genau das ist aber diesen Montag passiert. Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll ist plötzlich für einen raschen Volksentscheid über die Wehrpflicht. Seine schwarzen Kollegen aus Tirol und Vorarlberg stimmten ihm zu. SPÖ-Chef Werner Faymann, der schon lange genau das will - ein Berufsheer per Volksentscheid -, nutzte das blitzschnell, um Spindelegger unter Druck zu setzen. Es dauerte ein paar Stunden, bis der weichgeklopft war: Nun wird es im Jänner eine Volksbefragung dazu geben, deren Ergebnis verbindlich sein soll.

Pröll und die anderen Landeshauptleute sind sich sicher, die Befragung gewinnen zu können - am Land schätzt man das Heer, vor allem wegen der Katastropheneinsätze. Wenn das aber das Kalkül ist, dann wäre es vielleicht nett gewesen, den Bundesobmann der ÖVP vorher einzubinden.

Man traut aber offenbar innerparteilich Spindelegger nicht mehr viel zu. Er hat kaum eigene politische Ideen, sondern läuft populistischen Vorstößen anderer nach. Stronach und Strache wüten gegen den Euro? Spindelegger will plötzlich "Schummler" aus dem Euro werfen können. Auch das "Direkte Demokratie"-Paket, das Spindelegger bei seinem 24-jährigen Staatssekretär Sebastian Kurz bestellte, ist eine Reaktion auf Straches "Das Volk muss entscheiden"-Dauergedöns. Als Prinzip - das Volk kann auch über das Parlament hinweg ein Gesetz durchbringen - ist die Sache fragwürdig.

Bei ihren Kernthemen ist die Volkspartei konzeptlos. Die SPÖ hat für den Herbst eine massive "Umverteilungskampagne" vorbereitet. Hat die Spindelegger-ÖVP dem argumentativ etwas entgegenzusetzen? Davon gehört hat man noch nichts.

Spindelegger wollte/will die Finanzministerin Maria Fekter absägen und selbst Finanzminister werden. Angeblich zum Teil auch deshalb, weil sie bei Vermögens(substanz)steuern und bei der Erbschaftssteuer so stur sei. Bereitet sich hier ein neuerliches Umfallen in Richtung SPÖ vor? Dann gibt die ÖVP mutwillig eine Kernschicht auf.

Jenseits vom Schicksal der Volkspartei jedoch ist die Bundesheer-Volksbefragung ein Sieg des Krone-induzierten Populismus. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 29.8.2012)