Gerhard Strejcek: Plädoyer für eine parlamentarische Mehrheitsentscheidung.

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Der Zauber der Montur: Besucher der traditionellen Leistungsschau des Bundesheeres vor der Wiener Hofburg, dessen Betroffenheit von der Wehrdienstpflicht offenkundig schon einige Jahre zurückliegt.

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Über die Misere der direkten Demokratie in Österreich braucht man nicht lange räsonieren. Sie wurde (zunächst ohne das Instrument der Volksbefragung) bewusst als Fehlzünder in die Verfassung implementiert, weil sich die Redaktoren darüber einig waren, dass in erster Linie das Parlament, nicht das Volk Normen setzen sollte. Und das war und ist auch sinnvoll so, wie die erneut aufgeflammte Debatte rund um die Abschaffung der Wehrpflicht zeigt.

Kraft verfassungsgesetzlicher Vorschriften müsste sowohl eine Volksabstimmung (Neufassung einiger Regeln der Bundesverfassung, des Wehrgesetzes oder Wehrpflicht-Beendigungs- bzw Berufsarmeegesetzes) als auch eine allfällige Volksbefragung (unabhängig vom Gesetzesentwurf) vom Bundespräsidenten aufgrund eines Parlamentsbeschlusses anberaumt werden. Stimmberechtigt sind sodann die zum Nationalrat Wahlberechtigten.

Doch wie immer das Verfahren abläuft und welches Instrument das probate sein mag, die demokratiepolitische Grundsatzfrage bleibt gerade in diesem Fall bestehen und offenbart ein gravierendes Dilemma: Wer ist eigentlich von der Abstimmungsfrage rechtlich und faktisch (noch) betroffen und wer stimmt darüber ab?

Hier fallen zwei Gruppen in auffälliger Weise auseinander: Diejenigen, welche von der gegenwärtigen Wehrpflicht in Ausführung des Art. 9a B-VG betroffen sind, können mit dem Kreis von zum Wehr- oder Ersatzdienst (Zivildienst) tauglichen Männern in einem gewissen Alter umschrieben werden. Weniger betroffen sind jene Männer, die ihren Dienst bereits geleistet haben, die hiezu untauglich sind oder die Altersgrenze überschritten haben, bis zu der ein Einberufungsbefehl noch zulässig ist.

Am wenigsten rechtlich oder faktisch betroffen sind (alle) Frauen. Diejenigen, die abstimmen dürften, sind aber alle vom Wahlrecht nicht ausgeschlossenen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die spätestens am Abstimmungstag das 16. Lebensjahr erreicht haben.

Antifeministische Sicht?

Man mag die folgende Überlegung als maskuline, antifeministische Sicht brandmarken, aber sie hat, wie die folgenden, rhetorischen Fragen zeigen sollen, gute Gründe für sich; denn was ist im Rahmen dieser Gruppe mit der rechtlichen und faktischen Betroffenheit der Frauen hinsichtlich a) der geltenden und b) einer neuen Regelung? In Österreich gibt es nur ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes, subjektives Recht, nicht aber die Wehrpflicht bzw. die konkrete Pflicht für weibliche Bewerberinnen (zwangsweise) zum Wehr- oder Zivildienst einberufen zu werden. Was aber ist mit dem Gros der Frauen, die mit dem Bundesheer nichts "am Hut haben"? Geht es hier um Mütter oder Lebensgefährtinnen, Schwestern, Gattinnen? Ist es angenehmer, den wehrpflichtigen Sohn zu Hause und "auf der Tasche" zu haben oder beim Heer mit einem gewissen Taggeld und strengerer Ausgehdisziplin zu wissen? Ist es schöner, den Gefährten nur zeitweise in voller Ausgeh-Freiheit zu sehen? Erfüllt es mit mehr Stolz, einen Berufssoldaten in einer Profi-Truppe zum Partner zu haben als einen simplen "Wehrdiener"? Absurde Überlegungen oder? Aber sie zeigen zumindest eines deutlich auf: Die Frage der Wehrpflicht für junge Männer tangiert die mit Abstand größte Bevölkerungsgruppe, nämlich jene der stimmfähigen Frauen, nur äußerst peripher.

Dasselbe gilt aber auch für die männlichen Stimmberechtigten, die entweder wegen Untauglichkeit oder des Privilegs eines "weißen Jahrganges" nicht zum Bundesheer mussten oder den Wehr- oder Zivildienst schon abgeleistet haben; Welche Motive leiten diese Gruppe? Sollen diese " Jungen" nun auch im Stacheldrahtverhau robben oder soll diese elitäre Aufgabe einer angeblich so effizienten Berufsarmee auf Freiwilligenbasis vorbehalten bleiben? Warum soll diese Frage von Männern entschieden werden, die bereits ihre eigenen, oft frustrierenden Erfahrungen mit dem Bundesheer schon gemacht haben?

Die Antwort auf all diese Fragen ist denkbar einfach: Die Materie eignet sich schlichtweg nicht für ein Instrument der direkten Demokratie (vom Volksbegehren, das nicht zur Debatte steht und das von Betroffenen ausgehen könnte, abgesehen).

Daher soll das Parlament in freier Mehrheitsbindung darüber entscheiden, wie es die Verfassung auch vorsieht. Und die solcherart eingesparten Kosten für eine sinnlose Befragung sollten gleich für das Bundesheer und seine wertvollen Angehörigen, gleichgültig in welcher Gestalt, reserviert werden. (Gerhard Strejcek, DER STANDARD, 29.8.2012)