Bild nicht mehr verfügbar.

Wer hört auf ihn, auf wen hört er? Erwin Pröll ist der starke Mann der ÖVP.

Foto: apa/Pfarrhofer

Für Michael Spindelegger ist es einfach "eine Verunsicherung, die auch den Landesparteiobleuten der ÖVP zu Recht aufgestoßen ist" - so steht es in der Information, mit der die ÖVP-Zentrale am Dienstagnachmittag Funktionäre und Sympathisanten auf den neuen Kurs zum Thema Bundesheer einzuschwören versucht hat.

Grundtenor der vom Parteichef unterzeichneten Mail: Schuld ist die SPÖ. Spindelegger: "Die SPÖ hat den Bogen beim Thema Bundesheer weit überspannt: unterschiedliche Zahlenspiele, unausgegorene Pilotprojekte, der Versuch, Kritiker mundtot zu machen. Und zur Krönung bezeichnen der Kanzler und der zuständige Minister Soldatinnen und Soldaten als "Laien", all das hat für massive Verunsicherung der Menschen gesorgt."

Das Schreiben dient nicht nur dazu, die Getreuen mit Argumenten für den Erhalt der Wehrpflicht aufzumunitionieren - es soll vor allem den Eindruck zerstreuen, dass die Bundespartei nur noch auf Zuruf von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (der vor eineinhalb Jahren Spindelegger zum Parteichef vorgeschlagen hat) agiere. Glauben können das nicht alle.

Dass Spindelegger Montagabend die Volksbefragung angekündigt hat, sieht etwa der Politologe Fritz Plasser "nicht als strategische Leistung der Bundes-ÖVP", ihr sei "schlichtweg nichts anderes übriggeblieben".

Für Plasser ist klar: "Das ist ein deutlicher Schuss vor den Bug, ein Warnsignal an den Parteichef." Plasser zum Standard: "Die Länder sehen die Volksbefragung als Mobilisierungsunterstützung für die kommenden Landtagswahlen." Dass Pröll die innerparteiliche Attacke gestartet hat, überrascht den Politologen nicht: Das sei mehr oder weniger Teil des politischen Stils eines ausgeprägten Machtmenschen.

Plasser: Drohe die Position Niederösterreichs geschwächt zu werden, würden die Loyalitäten schwinden. Spindelegger stehe unter "großem innerparteilichen Erfolgsdruck", denn seitens der Länder gebe es den "intensiven Wunsch nach einer ÖVP-Handschrift in der Regierung".

In solchen Situationen melden sich gerne jene zu Wort, die - mehr oder weniger zu Recht - meinen, die eigentliche Partei darzustellen: Das sind einerseits die Vertreter der Teilorganisationen, in denen die Mitglieder verankert sind. Immerhin: Der neu installierte ÖAAB-Generalsekretär August Wöginger bekannte sich zu Wehrpflicht, Zivildienst und Volksbefragung dazu. Andererseits - und überschneidend - sind es die Landesorganisationen, die über die Finanz- und Organisationskraft verfügen, die der Bundespartei seit jeher abgehen.

Beliebtester Austragungsort für solche Diskussionen war das sogenannte Dreikönigstreffen. Dies war in den Siebzigerjahren unter dem damaligen Parteiobmann und Oppositionschef Josef Taus eingeführt worden - dessen Generalsekretär Sixtus Lanner hatte in seine Tiroler Heimat Wildschönau zum Nachdenken geladen.

Die mächtigen ÖVP-Landeshauptleute reisten zu diesen Treffen aber stets mit starken Ansagen an - und diese wurden dann von den Medien viel wichtiger genommen als die eigentlichen Themen der Treffen. Und stets waren die ÖVP-Chefs anschließend schwächer als vorher - dass sie den "Primat der Bundespartei" forderten, klang schon damals hilflos; erst die Abschaffung der Treffen durch Wolfgang Schüssel wirkte.

Letzlich liegt es also an der Persönlichkeit des Parteichefs. Es gibt die Parteistatuten, da sind die Aufgabentrennungen "eindeutig drinnen", sagt der frühere langjähriger Direktor des ÖVP-Parlamentsklubs Werner Zögernitz, aber: "Je stärker die Persönlichkeit, die Bereitschaft zur Zusammenarbeit ist, desto mehr kommt auch die Unterstützung aus den Ländern."

Und die sei "sehr, sehr wichtig, weil die Länder das Geld haben". Zögernitz glaubt, dass der Länder-Vorstoß mit Spindelegger akkordiert war. Grundsätzlich hält er ihn auch für richtig: "Es war sehr klug, dieses Thema nicht in einem Dauerwahlkampf ein Jahr zu führen, sondern es einmal abzuhaken - wenn auch mit dem Risiko, dass es schiefgehen könnte." (Peter Mayr und Conrad Seidl, DER STANDARD, 29.8.2012)