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Wird das auf Knopfdruck geschaffene Geld eingestampft?

Ruft man sich die Schlagzeilen der letzten Jahre in Erinnerung, dann spielen Banken eine große Rolle. Mal drohen sie das ganze Wirtschaftssystem in den Abgrund zu reißen, mal sorgt man sich um ihre darbenden Eigenkapitalquoten. Die dem Finanzsystem innewohnende Gefahr für die Realwirtschaft wollen zwei Forscher des Internationalen Währungsfonds (IWF) nun gebannt haben. Ihr Motto: Weg mit dem Geld auf Knopfdruck hin zum Vollgeld, das zu 100 Prozent mit Sicherheiten gedeckt ist. Die privaten Banken verlieren, die staatlichen Notenbanken gewinnen dabei an Macht.

Krisenplan entstaubt

Die Welt von ökonomischen Tiefs zu befreien, darum bemühte man sich vor allem in den 1930er und 1940er Jahren, als die Weltwirtschaftskrise die Politik in Europa und den USA fest im Griff hatte und immens hohe Armut nach sich zog. Als Antwort auf die Große Depression wurde damals der sogenannte Chicago-Plan erarbeitet. Führende US-Ökonomen wie Henry Simons und Irving Fisher forderten eine Trennung von Geldpolitik und Kreditwirtschaft. Ausleihungen sollten zu 100 Prozent mit Zentralbankgeld, dazu gehören Bargeld und durch Wertpapiere gesicherte Reserven bei der Notenbank, gedeckt sein. Das Modell sieht also vor, dass vergebenen Krediten Bargeldreserven in gleicher Höhe gegenüberstehen.

Diese Bankenreform wurde nie durchgeführt, aber nicht vergessen. Nun haben die zwei IWF-Ökonomen Jaromir Benes und Michael Kumhof aktuelle US-Wirtschaftsdaten in ein Computermodell gestopft und den Plan einer Überprüfung unterzogen. Das Fazit ihrer Studie "The Chicago Plan Revisited": Es bringt große Vorteile, den Gutteil der Geldversorgung den Banken aus den Händen und den Zentralbanken in die Hände zu legen. Weniger Schulden, kaum Inflation, niedrigere Zinsen und mehr Wirtschaftsleistung würden sich einstellen. Dieses Ergebnis speise sich auch aus der dadurch geglätteten Konjunktur. Da die Banken weder Kreditblasen - man denke an TV-Werbungen des letzten Jahrzehntes - noch Kreditklemmen schaffen können, falle das kostspielige Auf und Ab des Wirtschaftszyklus weg.

Zweifel am Modell

Es ist aber auch der Staat, der für Unsicherheit sorgen könnte. Denn nimmt er direkt Einfluss auf die Geldschöpfung, indem er die Notenbank an die Kandare nimmt, dann ist ordnungspolitisch für viele Ökonomen Gefahr im Verzug. "Für die Regierenden gäbe es immer den Anreiz, ihre Schulden über die Druckerpresse zu begleichen", sagt Jesus Crespo Cuaresma, Professor für Geld- und Finanzpolitik an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU), zu derStandard.at. Als Analogie fällt ihm da gleich Simbabwe ein, das durch eine solche Politik mit einer galoppierenden Inflation kämpft.

Der zweite große Kritikpunkt am Vollgeld ist sein ausschließender Charakter. Erprobt, und das auch nur theoretisch, wurde es sinnbildlich an den USA abzüglich ihrer grenzüberschreitenden Geldflüsse. "Man sollte nicht vergessen, dass das Modell auf die 1930er Jahre zurückgeht, in denen es weit weniger internationales Kapital gab", so Crespo Cuaresma. Die niedrigeren Zinssätze, die die radikale Geldreform mit sich brächte, könnten ausländische Anleger dazu bewegen, ihr Geld abzuziehen. Welches Land wolle das erste sein, das so handelt, wenn die Gefahr besteht, dass es andere nicht gleichmachen und anstatt dessen das so frei gewordene Geld der Kapitaleigner willkommen heißen, fragt der Professor.

Fragezeichen Politik

Dritter Malus des Modells ist seine Vernachlässigung von Steuern und Politinteressen. Einnahmen aus Ersteren gehen im Vollgeldmodell über die Zeit stark zurück. Sie werden durch stark steigende Einnahmen aus dem Geldschöpfungsprozess, der sogenannten Seigniorage, ersetzt. Dabei käme genug Geld zusammen, um die finanzielle Gesundung der Staatsfinanzen zu ermöglichen, schlussfolgern Benes und Kumhof: "Unsere Analyse zeigt, dass der Staat dabei mit einer weitaus niedrigeren Schuldenlast aussteigt."

Damit macht man allerdings den Staatshaushalt davon abhängig, wie viel Geld gedruckt wird. Für viele Ökonomen, so auch Crespo Cuaresma, keine solide Basis, die nach Inflation schreit. Die IWF-Autoren sehen das anders. Es finde sich "praktisch kein Beispiel" in der Geschichte, dass diese Angst nährt, schreiben sie.

Modell bleibt aber Modell. Was im Falle von politischen Verzögerungen oder Halblösungen passiert, verrät es nicht. Diese Vereinfachung sei zwar nötig, so Crespo Cuaresma, berge aber mögliche Realisierungshindernisse.

Bankenschreck

Nicht wahr werden, das käme auf jeden Fall den Banken zupass. Ihr Geschäft würde durch die Reform drastisch beschnitten. Sie wären gezwungen eine 100-prozentige Einlagensicherung zu bilden, was schnelle Kreditausweitungen und dadurch auch mehr Profite verhindert. Mit der Geldschöpfung per Knopfdruck verschwinde ein "Privileg, das kein anderer Wirtschaftszweig genießt", schreiben die Studienautoren. "Es leuchtet ein, dass keine Bank so einen Wandel willkommen heißt", sagt Crespo Cuaresma.

Noch haben sich die Banken aber vor einem Einstampfen ihres Geschäftsmodells nur fürchten müssen. Denn auch wenn sich vor 60 Jahren viele namhafte Ökonomen für den Chicago-Plan aussprachen, und sogar US-Präsident Franklin D. Roosevelt dafür in den Ring stieg, realisiert wurde er nie. Die Wahrscheinlichkeit, dass es auch nach dieser Krise so aussieht, ist hoch. Die Schlüsse der Studie hat der IWF noch nicht zu seiner Politik gemacht. (Hermann Sussitz, derStandard, 29.8.2012)