Gefangen im Apfel? Während Mac OS X über die Jahre zumindest ein langsames Wachstum erlebt hat, stagniert der Linux-Desktop weitgehend.

Grafik: Apple / Linux

Gerade Anfang der 2000er-Jahre gab es eine Phase in der es den Anschein machte, als wäre Linux am Sprung die gesamte IT-Welt zu erobern. Egal ob Server oder Desktop, bald würde das freie Betriebssystem praktisch überall laufen, so eine damals immer wieder geäußerte Meinung. Doch diese Prognose trat nur zum Teil ein: Während Linux am Server längst eine dominante Position innehat, kann dies vom Desktop-Bereich kaum behauptet werden, je nach Zählung dürfte der weltweite Marktanteil irgendwo zwischen 1 und 3 Prozent liegen - und damit weit von Marktdominator Microsoft entfernt.

Analyse

In einem aktuellen Bericht begibt sich das Magazin Wired nun auf Ursachensuche, und fragt dabei auch bei Leuten nach, die jahrelang selbst in führender Rolle rund um den Linux-Desktop tätig waren: GNOME-Gründer Miguel de Icaza sieht vor allem einen Grund für den eigenen Misserfolg: Ein großer Teil jener EntwicklerInnen, die Linux zu neuen Höhen verhelfen hätten können, seien zu anderen Plattformen gewandert, allen voran Apples Mac OS X - aber auch das Web.

Zu spät?

Während in der Linux-Welt in den letzten Jahren viel über unterschiedliche Ausrichtungen und Auffassungsunterschiede - allen voran mit Ubuntus eigenem Unity-Desktop oder den Umbauten in Form von GNOME3 - diskutiert wird, glaubt de Icaza, dass all diese Oberflächlichkeiten keinerlei Rolle gespielt haben. Dies schlicht, da der "Desktop-Krieg" schon vorher verloren gegangen sei, und das noch dazu durch ganz andere Fehler.

Fehler

Man habe es einfach nicht geschafft vernünftige Rückwärtskompatibilität bei den eigenen Toolkits anzubieten. "Viele Jahre lang haben wir den Code der Leute gebrochen", was diese schlussendlich vertrieben habe. "OS X hat das viel besser gemacht", gesteht de Icaza ein.

Web

Den zweiten großen Faktor im ausbleibenden Erfolg führt Wired hingegen auf allgemeine Markttrends und nicht individuelle Fehler der Linux-EntwicklerInnen zurück: Die Entwicklung habe sich über die Jahre immer mehr in das Web verlagert, während native Anwendungen zunehmend an Bedeutung verlieren. Und Mac OS X habe schlussendlich nicht nur den besseren Desktop sondern auch eine ausreichend gute Unix-ähnliche Arbeitsumgebung geboten, um die nötige Server-Software zu entwickeln.

Linux-Dominanz

Gerade an diesem Punkt folgt allerdings die Erinnerung, dass die Linux-Welt angesichts dieser Entwicklungen keinen wirklichen Grund zu verzagen hat: Denn unter all diesen Web-Anwendungen laufen zu einem bedeutenden Teil Linux-Server, Apple spielt in diesem Bereich keine Rolle, Microsoft hat man seit Jahren ebenfalls unter Kontrolle.

Offenes Web

Genau in diesem Umfeld seien auch die Herausforderungen für die Zukunft zu suchen: Viele die sich früher für freie Software stark gemacht hätten, seien nun für das "offene Web" aktiv, konstatiert de Icaza. Eine davon ist Stormy Peters, ehemalige "Executive Director" der GNOME Foundation, die zwar weiterhin selbst den Linux-Desktop verwendet, mittlerweile aber beim Browserhersteller Mozilla einen neuen Fokus gefunden hat.

Prinzipien

Es gebe viele Webpages, die nicht mit den Prinzipien freier Software entwickelt worden wären, dies gelte es zu verändern. Auch hier sei die Verfügbarkeit des Source Codes, um feststellen zu können, was ein Service alles tut - ein Grundlage des "Vertrauens" zwischen Nutzer und Anbieter.

Zukunft

Für Linux als Client-Betriebssystem sieht sie die Zukunft ebenfalls durchaus positiv, wenn auch nicht in dem Sinne, wie es wohl noch vor einigen Jahren die meisten verstanden haben. Gerade der Aufstieg von mobilen Geräten - die zu einem bedeutenden Teil auf Linux basieren - sei hier eine große Chance. Eine an der sich schlussendlich auch Mozilla selbst beteiligen will: Mit Firefox OS hat man seit einigen Monaten ein eigenes, vollständig offen entwickeltes mobiles Betriebssystem in Entwicklung. (red, derStandard.at, 28.8.2012)