Salzburg - Rätselhafterweise werden die Solistenkonzerte der Salzburger Festspiele heuer fast ausschließlich von männlichen, im Herbst ihres Lebens stehenden Pianisten bestritten - eine gewagt monotone Programmierung. Vorbei die Zeiten, als Größen wie Christa Ludwig hier in unvergessener Souveränität ihren Abschied vom Konzertpodium zelebrierten oder noch Größere wie Jessye Norman für ein Vielfaches des Ludwig'schen Honorars Maßstäbe setzten in Sachen Variabilität, Intensität, Detailgenauigkeit - ach was, in allem, was irgendwie mit Kunst und Musik zu tun hat.

Daniel Barenboim durfte das Festspielpublikum heuer gar mit einem dreiteiligen Schubert-Zyklus unterhalten. Dem neuen Festspielintendanten darin nicht unähnlich, ist der gebürtige Argentinier und Weltbürger ein Mann überbordenden Outputs: In Wien garnierte der Chefdirigent der Staatskapelle Berlin jüngst eine Aufführungsserie aller Bruckner-Symphonien im Musikverein auf spielerische Art und Weise mit einigen Klavierkonzerten von Mozart; an der Salzach ist der Endsechziger neben seinem Schubert-Solo-Dreier zudem noch mit zwei Orchestern on stage zu erleben.

Schlichtheit und Behutsamkeit bestimmten seine Wiedergabe der Vier Impromptus D 899: Das Spielfeld, auf dem Barenboim die weichen, stimmungsschwankenden Charaktere Schuberts präsentierte, war eines größter Aufgeräumtheit und lichter Klarheit. Sturm und Drang ereigneten sich selten, dann jedoch mit umso wirkungsmächtigerer Heftigkeit; wundervoll, wie es Barenboim dann verstand, Härte unvermittelt in eine Sanftheit umschlagen zu lassen, deren resignativer Beiklang noch mehr schmerzte als der Furor zuvor (viertes Impromptu, Ende des cis-Moll-Trios).

Grundsätzlich ein Anhänger eines gewissen improvisatorischen Moments, verblüffte Barenboim durch eine eher unstete Tempogestaltung im Andante sostenuto der großen B-Dur-Sonate D 960; bei der Wiederkehr des A-Teils hatte die sich über drei Oktaven erstreckende Begleitfigur fast einen hinkenden Charakter. Dunsthaft vage, ohne Puls der erste Teile des Scherzos.

Von unerhört positiver Delikatesse, wie eine huschende Fee, hingegen das Dur-Nachspiel des grimmigen Mollakkord-Themas im vierten Satz. Meisterhaft auch das Hauptthema des Kopfsatzes, dessen minimaler Farbwechsel nach dem ersten Viertaktabschnitt von Versonnenheit zu sanfter Klarheit gelangt. Großer Applaus im Großen Festspielhaus. (Stefan Ender, DER STANDARD, 27.8.2012)