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Vier Jahre Bauzeit, 182 Millionen Euro Kosten: Der Machlanddamm in Oberösterreich ist das größte Wasserschutzprojekt Europas.

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"100 Prozent Sicherheit gibt es nicht. So mancher Damm ist gebrochen." Johann und Margarete Forschum aus Kolbing, Oberösterreich.

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Linz - Diesen Sommer sei es "irgendwie besonders schwierig", erzählt Margarete Foschum. Die vielen Unwetter - "vor allem der Starkregen". Naturgewalten, die bei Margarete Foschum schlimme Erinnerungen wachrufen. Mit den ersten Tropfen ist plötzlich alles wieder präsent.

Ein schmuckes Einfamilienhaus mit kleiner Landwirtschaft in der Ortschaft Mettensdorf. Margarete Foschum ist hier aufgewachsen, hat sich in dem Dorf mit 46 Häusern gemeinsam mit Ehemann Johann eine Existenz aufgebaut. Eigentlich hochwassersicher. Bis zum 13. August 2002. Es ist der erste Tag des Jahrhunderthochwassers, wie es später genannt werden sollte. Zu Beginn glaubt Johann Foschum noch, er könne "so wie sonst halt auch immer" die Habseligkeiten aus dem Keller und dem Erdgeschoß sicher im ersten Stock verstauen. Doch der Pegel steigt stündlich, in den Abendstunden des 13. August muss das Ehepaar Foschum erkennen, dass es nur mehr gilt, dass eigene Leben zu retten.

"Wir sind auf den Dachboden geflüchtet, wenig später ist der Strom ausgefallen. Da sind wir dann im Dunklen gesessen und haben nicht gewusst, was draußen passiert", kämpft Margarete Foschum im STANDARD-Gespräch mit den Tränen. Ehemann Johann beruhigt: "Geh, Mama, es ist ja alles gut ausgegangen." Seine Frau habe es seit damals "halt a bissi mit den Nerven", sagt der Pensionist fast entschuldigend.

Am 14. August werden die Foschums von der Feuerwehr vom Dachboden geborgen. Die Wassermassen sind inzwischen zurückgegangen, geblieben ist der enorme Schaden. "Überall Schlamm und Dreck. Da musst du schnell handeln. Wenn der Gatsch trocken ist, kannst nix mehr machen." Das Wasser ist weg, der Dreck muss folgen, und das Leben geht weiter - so hat man es in Mettensdorf immer gehandhabt. Johann Foschum fährt noch am Tag der Katastrophe zum örtlichen Installateur: "Ein spezielles Anschlussventil für den Kärcher kaufen." Zeit für Resignation bleibt da nicht. Gedanken an ein Wegziehen? Foschum: "Damals nicht."

Freiwillig abgesiedelt

Die Umsiedlungspläne reifen erst im Jahr 2003. Überflutungsgefährdete Ortschaften wie Mettensdorf, Pitzing, Hütting und Eitzendorf sind da bereits zur roten Zone erklärt worden. Den betroffenen Bewohnern wird eine freiwillige Absiedlung aus dem Hochwassergebiet angeboten.

Gefällt wurde die Entscheidung zum Neuanfang bei den Foschums im Familienrat. "So was machst du nicht allein. Es schmerzt, die Heimat zu verlassen. Unsere Kinder waren da eine große Stütze. Aber wir waren uns einig: Mit dem Hochwasser geht das nicht mehr", erinnert sich Johann Foschum. 80 Prozent des Schätzwertes bekommt die Familie für das alte Haus in Mettensdorf, fast alle Ortsbewohner entscheiden sich so. Nur mehr sieben Häuser hat der Ort heute - umgeben von einem Hochwasserschutzring. Familie Foschum hat ihre neue Heimat im nahen Kolbing gefunden. Ein schmuckes Einfamilienhaus, erbaut auf einem Hügel: "Wir wollten einfach auf Nummer sicher gehen."

Von europaweit 15 Milliarden Euro Schaden beklagte man nach der großen Flut allein im oberösterreichischen Machland eine Zerstörung im Ausmaß von 500 Millionen Euro. Mitteleuropas größtes Wasserschutzprojekt soll solch eine Katastrophe künftig verhindern: Am vergangenen Samstag wurde nach nur vierjähriger Bauzeit der Machlanddamm eröffnet. 182 Millionen Euro ließen sich das Bund, Land und Gemeinden kosten. Johann Foschum ist froh über die Schutzmaßnahmen, aber das Hochwasser 2002 hat ihn zum Skeptiker gemacht: "So gut solche Projekt sind, eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. So mancher Damm ist schon gebrochen." (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 27.8.2012)