Bregenz/Innsbruck - Wildbret aus dem Tiroler Lechtal steht auf der Vorarlberger Seite des Tales nicht mehr auf der Speisekarte. "Zu gefährlich", hört man in den Berggasthäusern immer wieder. Denn drüben bei den Tirolern sei das Wild mit Tuberkulose (TBC) verseucht. Die Krankheit bereitet vor allem Bauern, die ihr Vieh auf grenznahe Almen treiben, Sorgen. Sie fürchten, das Wild könne ihre Rinder anstecken und der Erreger in die Nahrungskette gelangen.
Die Sorgen seien berechtigt, sagt der zuständige Vorarlberger Landesrat Erich Schwärzler (ÖVP): "Wir tun alles, um einen Kontakt von Nutztieren mit dem Wild zu vermeiden. Beispielsweise empfehlen wir, Lecksteine so auszulegen, dass sie nicht vom Wild erreicht werden können." Zudem würde das Wild "intensiv beobachtet". Lech, Warth, Kloster- und Kleinwalsertal gehörten zur Beobachtungszone. 80 Prozent des dort erlegten Wildes würden auf Tuberkulose untersucht. Gefunden wurden in der heurigen Saison drei Verdachtsfälle. Schwärzler beruhigt: "Im Vergleich zu 2011 hat sich die Situation verbessert."
Lückenlose Kontrolle
Österreich gilt als TBC-frei. Müssen sich Konsumentinnen und Konsumenten nun vor einer Übertragung durch Wild oder Rinder fürchten? "Nein, die Kontrolle war noch nie so lückenlos", sagt Paul Ortner, stellvertretender Tiroler Landesveterinär. Jedes Stück Wild aus dem Lechtal wird vom Amtstierarzt untersucht, "auch Wildbret für den Eigenbedarf". TBC-Fälle bei Rindern treten nur noch vereinzelt auf, meint Ortner.
Untersuchungen haben ergeben, dass die Hälfte des Rotwilds im nördlichen Lechtal in den letzten fünf Jahren mit dem Erreger Mycobacterium caprae infiziert war. Zur Eindämmung der Seuche werden Abschusszahlen seit 2011 nach veterinärmedizinischen Gesichtspunkten festgelegt. 2011 wurden 723 Tiere getötet, 57 davon in einem eigens geschaffenen, 25 Hektar großen Wildgatter. "Tierschutzgerecht von geschulten Fachleuten", sagt Ortner.
Abschusszahlen verdoppelt
Um eine weitere Ausbreitung der TBC zu verhindern, sind aber drastischere Maßnahmen nötig. So wurde die Überwachungszone für die Saison 2012/2013 auf 60.000 Hektar verdoppelt. Womit sich auch die Abschusszahlen auf das Doppelte (1300 bis 1400 Tiere) steigern.
Wie der Erreger eingeschleppt wurde, sei nicht geklärt, sagt der Tierarzt. Möglich sei die Übertragung vom Rind auf das Wild, aber auch die Einschleppung des Erregers durch das Einsetzen eines infizierten kapitalen Hirsches. Immerhin trifft die Seuche stark der Jäger liebste Trophäenbringer: Sieben von elf Hirschen der höchsten Altersklasse waren infiziert. Jagdkritiker sprechen von Folgen der "Wildmast" und dem daraus resultierenden Überbesatz an Rotwild. (Jutta Berger, DER STANDARD, 25./26.8.2012)