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"Ich weiß, wer siebenmal die Tour gewonnen hat, meine Teamkollegen und alle, gegen die ich gefahren bin, wissen, wer die Tour siebenmal gewonnen hat", sagt Lance Armstrong.

Foto: APA/dpad/Breloer

Washington D.C. -  Kurz vor einem möglichen öffentlichen Verfahren verabschiedete sich Lance Armstrong in die Rolle des zu Unrecht Verfolgten und gab den Kampf gegen die immer wiederkehrenden Dopinganschuldigungen auf. "Es kommt ein Punkt im Leben jedes Menschen, an dem er sagen muss: 'Es reicht.' Für mich ist dieser Punkt jetzt gekommen", erklärte der 40-Jährige in einem ausführlichen schriftlichen Statement.

Daraufhin sperrte die US-Anti-Doping-Agentur USADA den ehemaligen Rad-Star lebenslang. Alle Ergebnisse seit dem 1. August 1998 sollen gestrichen werden, damit auch seine sieben Siege bei der Tour de France von 1999 bis 2005. Allerdings kann nur der Radsport-Weltverband UCI dem Amerikaner die Titel aberkennen. 

WADA-Chef: "Dopingbetrüger"

In der Radsport- und der Anti-Doping-Szene rief die Erklärung unterschiedliche Reaktionen hervor. Der Chef der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), Jahn Fahey, nannte Armstrong einen "Dopingbetrüger". Dessen Erfolge seien nichts mehr wert, betonte Fahey und verlangte weitere Schritte. "Wenn die Beweise auf einer Karriere gründen, die sieben Tour-de-France-Siege beinhaltet, wird all dies ausgelöscht."

Wenn Armstrong nun aus den Siegerlisten gestrichen würde, "werden sie auch nicht glaubwürdiger", meinte Ex-Radprofi Steven de Jongh, mittlerweile Direktor des britischen Teams Sky um Tour-Sieger und Zeitfahr-Olympiasieger Bradley Wiggins. Noch drastischer formulierte es angesichts der im Radsport scheinbar nie endenden Negativ-Schlagzeilen der deutsche Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel. "Das wäre lächerlich. Die Top Ten dürften alle gedopt gewesen sein", gab der Professor zu Protokoll. Sein Vorschlag: "Ist doch nichts dabei, in den Annalen zu schreiben: 'Kein Sieger'."

Kein Geständnis

Hat Armstrong gedopt oder hat er nicht? Diese alles entscheidende Frage bleibt auch nach seinem Statement vom Donnerstag ungeklärt. Ein Dopinggeständnis legte er nicht ab. Ganz im Gegenteil: "Ich weiß, wer siebenmal die Tour gewonnen hat, meine Teamkollegen und alle, gegen die ich gefahren bin, wissen, wer die Tour siebenmal gewonnen hat", betonte der Texaner. "Es gab keine Abkürzungen, es gab keine speziellen Behandlungen. Dieselben Strecken, dieselben Regeln."

Mit dem Fall der einstigen Galionsfigur kommt der gesamte Profiradsport ins Wanken und der Dachverband UCI wieder in den Fokus. Der Radweltverband stärkte dem Texaner seit Jahren den Rücken. In den USADA-Anklagepunkten gegen Armstrong finden sich auch klare Verweise auf die UCI. Deren Präsident Pat McQuaid hat noch in London vehement gefordert, den Fall in seine Obhut zu bekommen und eigene Verstrickungen abgestritten. Unter McQuaid-Vorgänger Hein Verbruggen war die UCI sogar unter Verdacht geraten, eine positive Doping-Analyse Armstrongs aus der Tour de Suisse 2001 nicht veröffentlicht zu haben.

Mysteriöse Spenden

Danach erfolgten mysteriöse Spenden von Armstrong an die UCI in Gesamthöhe von 125.000 US-Dollar (99.944 Euro). Den Grund für die noble Gabe konnte die UCI bis heute nicht schlüssig erklären. Darüber hinaus blieb der Weltverband untätig, als Armstrong 2005 in nachträglichen Analysen EPO-Gebrauch bei seinem ersten Toursieg 1999 nachgewiesen worden war. "Die UCI hat positive Analysen niemals zurückgehalten", verteidigte sich McQuaid zuletzt bei den Olympischen Spielen in London. Nun will der Dachverband erstmal die Erklärung der USADA bekommen, solange werde es keinen Kommentar geben.

Armstrongs Gegenspieler ließ sich indes nicht lange bitten. "Das ist ein trauriger Tag für alle von uns, die den Sport und unsere Athleten-Helden lieben", teilte Travis Tygart in einem Schreiben der USADA in einer ersten Reaktion mit. Der USADA-Chef legte auch noch einmal nach: "Das ist ein Herzen brechendes Beispiel, wie diese Gewinnen-um-jeden-Preis-Kultur im Sport, wenn sie nicht mehr kontrolliert wird, von fairem, sicherem und ehrlichem Wettkampf Besitz ergreift."

Drohender Imageverlust

Armstrong konterte. An seinen Tour-Erfolgen könne sowieso niemand etwas ändern. "Schon gar nicht Travis Tygart", hatte er betont. Am meisten dürfte den Ex-Profi, der auch schon Ambitionen hatte, in die Politik zu wechseln, der immense Imageverlust zu schaffen machen. Was bliebe, wäre nicht mehr der erfolgreichste Tour-Teilnehmer aller Zeiten, ein geheilter Krebspatient mit einer ebenso unglaublichen wie filmreifen Erfolgsstory. Was bliebe, wäre die Hauptrolle im größtmöglichen Skandal des Radsports.

Die USADA hatte ihm keine Wahl gelassen: Entweder akzeptiert er die Anklage oder er stellt sich einem Prozess. Das wollte Armstrong auf keinen Fall, obwohl ihm Öffentlichkeit in dieser Causa weiter sicher ist. Denn sein mitangeklagter ehemaliger Teamchef und Mentor Johan Bruyneel hatte den USADA-Vorwürfen widersprochen. In der bevorstehenden Verhandlung gegen ihn wird es sich die US-Behörde nicht nehmen lassen, Armstrong selbstverständlich als Zeugen zu berufen.

Anschuldigungen ehemaliger Teamkollegen

Sein Denkmal bröckelte schon seit langem. Bereits im Juli 2004 erhoben zwei Journalisten schwere Dopingvorwürfe. Armstrongs einstige Teamkollegen und Edelhelfer Floyd Landis und Tyler Hamilton, beide wegen Dopings gesperrt, schlossen sich den Anschuldigungen 2010 und 2011 an. "Ich sah EPO in seinem Kühlschrank. Ich sah mehr als einmal, wie er es sich gespritzt hat", sagte Hamilton dem TV-Sender CBS.

Die Doping-Jäger werfen Armstrong jahrelanges Doping und Handel mit illegalen Substanzen vor. Er soll Teil einer regelrechten "Doping-Verschwörung" gewesen sein. Armstrong jedenfalls erklärte seinen Schritt damit, dass das gesamte Verfahren einen "zu hohen Preis" von ihm und seiner Familie gefordert habe. Wenn er eine Möglichkeit gesehen hätte, in einer fairen Umgebung die Vorwürfe widerlegen zu können, hätte er die Chance wahrgenommen: "Aber ich weigere mich, in einem einseitigen und unfairen Prozess mitzumachen." (APA/red; 24.8.2012)