Die Krise trifft jeden, sagt Ritz-Carlton-Chef Herve Humler. Die Luxushotelgruppe expandiert dennoch.

Foto: Ritz-Carlton

Standard: Was ist Ihre Lieblingszahl?

Humler: 83 - die Zahl setzt sich zusammen aus den Geburtstagsdaten meiner Kinder.

Standard: Das Ritz-Carlton Vienna ist folglich nicht ihr liebstes Haus?

Humler: Wieso nicht?

Standard: Sonst hätten sie 80 gesagt. Das Ritz-Carlton Vienna, das am Montag eröffnet wird, ist das achtzigste Haus der Gruppe.

Humler: (lacht) So gesehen haben sie recht. Wien ist eine wunderbare Stadt, unser Haus am Schubert ring befindet sich in einer ausnehmend attraktiven Lage.

Standard: Wien musste lange auf ein Ritz-Carlton warten. Andere Städte wurden rascher bedient ...

Humler: Es gab keine Gelegenheit. Einmal hat die Lage nicht gepasst, die für uns sehr wichtig ist. Ein anderes Mal war es die Finanzierung. Wien ist wichtig, wir brauchen hier ein Hotel. Vorigen Oktober war die Gelegenheit da.

Standard: Welche Erwartungen verbinden Sie mit dem Haus?

Humler: Es soll die Nummer eins in der Stadt sein.

Standard: Skeptiker sagen, Wien habe genug Betten in der Luxuskategorie. Jetzt kommen noch welche dazu: Kempinski, Park Hyatt, auch Four Seasons. Ein Problem?

Humler: Ich glaube nicht. Ein neues Hotel bringt auch neues Geschäft. Unsere Gäste sind Weltreisende - gestern Moskau, heute Peking, morgen New York. Eine Marke wie Ritz-Carlton muss an allen wichtigen Standorten präsent sein. Wenn wir hier nicht sind, muss der global Reisende, der sonst Ritz-Carlton wählt, auf andere Marken ausweichen. Das ist nicht gut. Warum investiert Coca-Cola trotz hoher Bekanntheit so viel in Werbung? Um nicht von Pepsi übertrumpft zu werden. Auch wir müssen die Leute daran erinnern, dass es uns gibt.

Standard: Wir werden gerade von einer Wirtschaftskrise gebeutelt. Ist das der richtige Zeitpunkt, um ein Fünfsternehotel zu eröffnen?

Humler: Wir sprechen etwa sechs Prozent des weltweiten Reisemarkts an. 2008 und 2009 hatten wir ebenfalls einen heftigen Wirtschaftsabschwung. Damals hat sich gezeigt, dass das Geschäft mit Luxus weniger stark eingebrochen ist als andere Segmente.

Standard: Luxus kennt also keine Krise?

Humler: Jeder ist betroffen, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Statt zweimal pro Monat wird vielleicht nur mehr einmal pro Monat verreist, statt einmal pro Woche ein großes Dinner geht man weniger oft groß aus. Aber wo gehen die Leute hin? Dorthin, wo sie mehr für ihr Geld bekommen. Das ist Value. Wir haben den Anspruch, den besten Service zu bieten, den man sich vorstellen kann.

Standard: Was macht ein Ritz-Carlton einzigartig?

Humler: Die Unternehmenskultur, die Philosophie, der ganze Ansatz. Service heißt für uns persönliche Ansprache. Folglich bleibt es nicht beim Guten-Morgen-Gruß, es heißt vielmehr Guten Morgen, Herr oder Frau Sowieso, wie kann ich Ihnen behilflich sein. Es gilt, auf die Wünsche unserer Gäste einzugehen und auch unmöglich Scheinendes zu ermöglichen.

Standard: Ritz-Carlton hat auch etliche Standorte in Asien. Was ist der größte Unterschied beim Betrieb eines Hotels hier und dort?

Humler: Es gibt kulturelle Unterschiede, auf die muss man eingehen. Die Art und Weise, wie wir die Mitarbeiter trainieren, wie wir ihnen den Geist von Ritz-Carlton beizubringen versuchen, ist überall dieselbe.

Standard: Die Personalkosten sind in Europa deutlich höher ...

Humler: ... was teilweise wettgemacht wird durch deutlich höhere Produktivität. In Asien braucht man zwei, drei Leute für eine Aufgabe, die hier eine Person erledigt. In Asien muss man oft Monate vor der Eröffnung Personal anlernen, eine Tomate richtig zu schneiden. Hier kann man auf bereits gut ausgebildete Mitarbeiter aufbauen.

Standard: Haben Sie weitere Expansionspläne?

Humler: Seit der Übernahme des ersten Ritz-Carlton in Boston hat es 29 Jahre gedauert, auf 80 Hotels zu kommen. Weitere 21 sind in Entwicklung. 2015 wird es 101 Hotels unter der Marke Ritz-Carlton geben. Uns zieht es in neue Märkte in Asien und im Nahen Osten, erstmals gehen wir auch Südamerika an. Wir sehen auch in Europa noch einige Möglichkeiten, in Nordamerika eher weniger.

Standard: Sehen Sie in Österreich Platz für ein zweites Ritz-Carlton, eventuell in einer Winterdestination wie Kitzbühel?

Humler: Absolut. Wir haben bisher noch kein Winterressort in Europa. Das ist etwas, das wir uns anschauen.

Standard: Wie viel Zeit verbringen Sie im Flugzeug?

Humler: Ungefähr mein halbes Leben. Aber es wird besser. Wenn man als Gruppe wächst, gibt es mehr Ressourcen. (Günther Strobl, DER STANDARD; 25./26.8.2012)