Seit dem Grimme-Preis ist Randelhoffs Blog "mehr in die breite Masse gekommen".

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DER STANDARD-Schwerpunktausgabe "Die Zukunft der Mobilität"

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Standard: Die Ironie der Geschichte: Die Interviewanfrage des Standard landete beim ersten Anlauf im Nirgendwo. Die Krise der Mobilität auf dem Datenhighway?

Martin Randelhoff: Ich glaube nicht, dabei handelt es sich doch eher um ein technisches Problem.

Standard: Aber vielleicht ein Anzeichen für eine mögliche Bruchstelle? Kollabiert erst der reale oder der virtuelle Verkehr?

Randelhoff: An den Daten wird es nicht scheitern, weil Glasfaser und Lichtgeschwindigkeit so hochkapazitativ sind, dass wir diese Grenze niemals erreichen werden können. In der Zukunft wird es drei große Netzwerke geben: Internet zum Austausch von Daten, Stromnetz - intelligente Stromzähler, die sich über Lastzeiten verständigen - und die Kommunikation zwischen Fahrzeugen untereinander.

Standard: Autos, die miteinander reden?

Randelhoff: Das werden sie - und autonomes Fahren ermöglichen, wo das Auto keinen Lenker mehr braucht. Das kommt in den nächsten zehn, zwanzig Jahren.

Standard: Meistens scheitern solche Visionen, weil sie zu teuer sind.

Randelhoff: Am Anfang vielleicht nicht. Wir haben eine schrittweise Einführung. Die EU-Kommission sagt, dass ab 2014 nur noch Neufahrzeuge mit automatischem Notbremssystem zugelassen werden dürfen. Was brauchen wir zum autonomen Fahren? Bremssystem, Beschleunigungssystem, Abstand und Spurhaltesystem. Alle vier haben wir. Was es braucht, ist, die Menschen im Auto zu überzeugen, dass die Systeme sicher sind.

Standard: Gratulation zum Grimme-Preis. Welchen Effekt hatte die Auszeichnung auf Ihren Blog?

Randelhoff: Es war ein Schritt aus der Nische. Mobilität und Verkehr sind im Web Nischenthemen. Seit dem Preis ist der Blog mehr in die breite Masse gekommen. Ansonsten: ganz normal weiterleben.

Standard: Warum haben Sie zu bloggen begonnen?

Randelhoff: Ich war schon immer internetaffin und habe ein Grundbedürfnis, Menschen mitzuteilen, wenn mich etwas beschäftigt. Zum Thema Verkehr fand ich nichts, und so probierte ich es selbst. Eine interessante Zeit, weil ich peu à peu merkte, dass es einen großen Bedarf gibt. Stuttgart 21 gab mir einen Schub. Ich stelle Verkehrsprojekte vor, aktuelle Trends von Elektrofahrzeugen über Agrartreibstoffe und fragte, wie wir damit umgehen.

Standard: Der Aufwand wirkt beträchtlich. Verdienen Sie damit?

Randelhoff: Nee. Der Blog ist werbefrei, da kommt gar nichts rein. Das Netzwerk ist da, und daraus ziehe ich genug. Es geht gar nicht so sehr um den harten Euro, sondern darum, dass ich Leute kennenlerne. Das gibt mir am meisten und reicht.

Standard: Wird man in 20 Jahren auch noch bloggen?

Randelhoff: Wir hatten schon mehr Blogs, dann kamen Twitter und Facebook und viele sagten, okay, ich muss nun nicht mehr bloggen, sondern kann mich auch hier verwirklichen. Ich kann mir vorstellen, dass es bald ein Revival gibt und Menschen wieder vermehrt ihren Blog aufmachen, um die Vermarktung selbst zu regeln.

Standard: In Wien gibt es eine Diskussion über Kennzeichnung von Radfahrern. Was halten Sie davon?

Randelhoff: Nichts. Die Kennzeichnungspflicht von Radfahrern ist letztlich eine Verschiebung von Verantwortung. Warum fahren Radfahrer auf dem Gehweg? Wahrscheinlich, weil sie sich anderswo gefährdet fühlen. Wir haben in den letzten 30, 40 Jahren die autogerechte Stadt propagiert, Millionen darin investiert, und heutzutage wehrt man sich, wenn zwei, drei Millionen Euro in die Radverkehrsstruktur investiert werden sollen. (Doris Priesching, DER STANDARD, 25./26.8.2012)