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Das Leben im Spreewald spielt sich auf dem Wasser ab, auch die Post wird mit dem traditionellen Kahn zu den Häusern gestakt.

Foto: AP Photo/Sven Kaestner)

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Manche paddeln aber auch nur zum Vergnügen.

Info: Spreewald

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Wenn das Rudel kleine geräuschlose Kreisel im Wasser hinterlässt, eine schillernde Libelle vorbeischwirrt und die Sonne Lilien am Ufer malerisch ausleuchtet, dann kann man auch mal einem Fluss dankbar sein. Also: Danke, liebe Spree, dass dein Verlauf recht eigenwillig ist. Dass du dich, bevor du im Berliner Moloch braun und träge dahinschwappst, zuvor in Brandenburg verzettelst und in unzählige kleine, klare Wasserläufe aufteilst.

So ist rund 100 Kilometer südlich von Berlin der Spreewald, eine einzigartige Landschaft, entstanden. In diesem Unesco-Biosphärenreservat gibt es natürlich Wiesen, Wälder, Felder und auch Wege. Aber der stille Hauptdarsteller ist das Wasser, wobei die Bezeichnung "Bach" oder "Fluss" verpönt ist. Man spricht von "Fließen". Diese ziehen sich in einem fast unüberschaubaren Wirrwarr durch die Gegend.

Damit ist klar: Wer den Spreewald kennenlernen will, braucht ein Boot. Vergessen wir kurz, dass Gruppenreisen oftmals ein Graus sind, und selbstverständlich ein jeder auf Reisen individuell sein möchte. Denn der beste Einstieg in den Spreewald ist immer noch eine traditionelle Kahnfahrt.

Gestakt wird mit Muskelkraft

In Lübbenau, Lübben oder Burg, überall in den Hauptorten also, gibt es mindestens einen Kahnhafen, wo die Fährleute auf ihre Kundschaft warten. Bis zu neun Meter sind ihre flachen Spreewaldkähne (meist aus Kiefernholz) lang und bis zu zwei Meter breit. Auf den Sitzbänken haben 20 Leute Platz, Körbchen mit diversen Schnäpsen sowieso.

Vor allem Neulinge beäugen den Fährmann oder die Fährfrau zunächst misstrauisch. Motor hat der Kahn natürlich keinen (Naturschutzgebiet!), Ruder sind auch nicht zu sehen. Wie also soll jetzt die Fortbewegung gelingen?

Mit dem eingangs erwähnten Rudel. Damit ist nicht die Touristenmasse gemeint, sondern eine vier Meter lange Eschenholzstange, mit der der Fährmann sich kräftig vom sandigen Boden der Fließe abstößt und gleichzeitig lenkt. Staken nennt man das, funktioniert alles mit Muskelkraft, die Technik wird seit 150 Jahren angewandt.

Gerne lässt man sich von Lübbenau nach Lehde staken. In dem kleinen Dörfchen, in dem noch rund 140 Menschen leben, spielt sich der Verkehr auf den Wassergassen ab, es gibt nur eine einzige Zufahrtsstraße. Schon das Ortsschild steht im Wasser, und wer von einem Grundstück zum anderen wechseln möchte, muss entweder mit dem Kahn fahren oder über Holzstufen klettern. Auch die Briefe kommen übers Wasser, es gibt einen offiziellen gelben Postkahn mit Postlogo.

Die Blockhäuser sind selbstverständlich allerputzigst, liebevoll gepflegt, überall blühen Blumen. "Habt ihr Hunger?", fragt er Fährmann, und natürlich ist keiner im Kahn, der Nein sagt. Noch ein paar kräftige Stöße, der Kahn gleitet an üppiger Ufervegetation vorbei, und da steht sie in ihrer schönsten Spreewaldtracht: Gurken-Gabi mit dem Gurkenfass.

Gurke als kulinarischer Star

Die Gurke nämlich ist im Spreewald ein Hauptnahrungsmittel. Sie wird in Senf eingelegt, in Knoblauch, in Öl, in Dill, in Pfeffer, in eigentlich fast alles. Dazu gibt es Schmalzbrote, alles wird gleich ins Boot gereicht. Riesige Gurkenfässer begegnen einem noch öfter. Manche Spreewälder stellen eine Bank und einen Tisch hinein, fertig ist die Gartenlaube.

Gurken-Gabi lässt sich derweil bereitwillig fotografieren. Das ist der Moment, in dem man sich doch nach ein bisschen weniger Gruppe sehnt. Auch kein Pro blem, im Spreewald gibt es unzählige Kanu-Verleihstationen.

Und mit dem Kanu kommt man auch in die vielen kleinen Fließe. "Nehmt zu essen und zu trinken mit, haltet euch an die Karte", lautet der Rat des Einheimischen, bevor man ins Boot steigt. Immer wieder hört man von Paddlern, die stundenlang durch den Zauberwald irrten, zwischen all den Sümpfen, Farnen und Gräsern nicht mehr ein und aus wussten.

Aber das sind nur Gerüchte, letztendlich finden alle immer wieder auf die Hauptwasserstraßen, wo der Verkehr reger ist und auf den Kähnen auch mal Hühner, Heu oder eben die begehrten Gurken transportiert werden.

Manchmal kentern Paddler auch. Gefahr besteht aber nicht, es gibt kaum Strömung, die Fließe sind nicht tief. Wer bei uns ertrinkt, heißt es im Spreewald, der ist bloß zu faul zum Aufstehen. (Birgit Baumann, Album, DER STANDARD, 25.8.2012)