Foto: galila verlag

Eine Doppelseite im aktuellen "Profil" und eine Empfehlung auf Ö1 machen neugierig: Was steckt hinter dem Lebensbericht mit dem skurrilen Titel "Der Imam auf der Parkgarage. Wie ich lernte, ein guter Staatsbürger zu sein"? Und tatsächlich: Beinahe könnte er einem sympathisch werden, der kontroverse und streitbare Religionslehrer Amir al-Amin, aber eben nur beinahe.

Recht nüchtern schildert Amin am Beginn des Buches seinen teilweise sehr mühsamen Weg aus dem Heimatland Sudan, der ihn über die Türkei und das damalige Jugoslawien über die sogenannte grüne Grenze nach Österreich führte. Über seine konkreten Motive für die Auswanderung lässt er den Leser allerdings im Unklaren.

In Österreich angekommen, verlebt Amin beschwerliche Jahre mit schlecht bezahlten, unsicheren Jobs (die damaligen Fremdengsetze erlaubten Asylwerbern noch zu arbeiten). Mit Fremdenfeindlichkeit wird der Sudanese häufig in unterschiedlichsten Situationen konfrontiert. Da ist etwa die titelgebende und schmerzhafte Episode in der Klagenfurter Bundespolizeidirektion: Die Beamten verwechseln ihn mit einem Somalier, er wird festgehalten und flüchtet auf das Dach einer Garage. Amir al-Amin schildert aber auch immer wieder Begegnungen mit wildfremden Menschen, die ihm selbstlos Hilfe anbieten.

Streitbarer Imam

Mit seiner Entscheidung, Islamlehrer zu werden, beginnt für Amir al-Amin eine konfliktreiche Zeit. Sein Arbeitgeber, die Islamische Glaubensgemeinschaft, schickt ihn nach Kärnten. Jahrelang kämpft der Imam an zwei Fronten: Wegen inhaltlicher "Differenzen", wie die Islamische Glaubensgemeinschaft es darstellte, wird er entlassen. Er sei einfach zu kritisch gewesen, meint Amin. Der Religionslehrer klagt und gewinnt das Verfahren vor dem Arbeitsgericht. Das zweite Gerichtverfahren ist wesentlich langwieriger und brisanter.

Seine Bemühungen, österreichischer Staatsbürger zu werden, arten zu einem jahrelangen Rechtsstreit aus. Der damalige Landeshauptmann Jörg Haider schaltet sich persönlich ein und behauptet im Jahr 2006, Amir al-Amin habe "Schulkinder geschlagen, 9/11 gutgeheißen und Frauen den Handschlag verweigert". Er sei nicht integriert, daher solle ihm die Einbürgerung verweigert werden.

Das Brisante und Seltsame an dem Fall ist allerdings, dass Amin von einem Brief des Landeshauptmanns erzählt, der ihn 2003 erreichte und in dem Jörg Haider ihn persönlich um Unterstützung bei der nächsten Wahl bat. "Heute schäme ich mich dafür, dass ich mich habe rumkriegen lassen und die Rechtspopulisten unterstützt habe", schreibt Amin. Wie genau diese Unterstützung ausgesehen hat, schildert er nicht. Der Fall geht bis vor den Verfassungsgerichtshof, und im Jahr 2010 wird Amir al-Amin die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.

Bei den Wackeldackeln

"Der Imam auf der Parkgarage" ist aber keine reine Lebenserzählung eines Einwanderers, der mit rassistischen und fremdenfeindlichen Ressentiments zu kämpfen hat. Denn Amir al-Amin ist eben auch Religionslehrer, und so finden sich auf den knapp 170 Seiten zahlreiche Anekdoten, die oft in einer religiösen Belehrung über den Islam gipfeln. Die Schilderung der Gebräuche auf einer tschetschenischen Hochzeit dient etwa dazu, zu erklären wieso es nach islamischem Recht keine Zwangsheirat geben kann. Wesentlich unsympathischer macht den Imam die Episode über einen Besuch bei der Mun-Sekte, deren Anhänger er mit Wackeldackeln vergleicht (weil sie bei der "Predigt" alle nicked zustimmen)  und denen er vorschlägt, doch lieber den Propheten und seine Familie zu verehren.

Skurrile Anekdoten

Nicht nur aufgrund der befremdlichen Wackeldackel-Aussage fällt es beim Lesen schwer, dem Imam und Religionslehrer seine Bemühungen um den interreligösen und interkulturellen Dialog vorbehaltlos zu glauben. Amir al-Amin lässt keine Gelegenheit aus, die Vorzüge des Islam gegenüber anderen Religionen zu betonen, und so darf natürlich auch die erfolgreiche Geschichte einer Konvertierung im Buch nicht fehlen.

Die Anfangs amüsanten Anekdoten werden immer eigenartiger und gipfeln in der Wiedergabe eines Gesprächs mit Amins Vermieterin über seine bevorstehende Heirat. Frau Marlene werden kurzerhand Eifersucht und Alkoholismus unterstellt. Eine äußerst fehl am Platz wirkende Episode, gefärbt mit einer ordentlichen Portion (machohafter) Eitelkeit. (Olivera Stajić, daStandard.at, 24.8.2012)